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  • Train­spot­ters’ job interviews


    Reinhold Gaubitsch

    Job-Interviews im Spielfilm sind selten. Dennoch hält die Filmgeschichte einige besondere Leckerbissen bereit. Aus Sicht der Arbeitsmarktverwaltung unübertroffen ist die Interview-Szene aus Trainspotting (1996) von Danny Boyle.

    Per­so­nal­re­kru­tie­rungs­sze­nen bzw. die Dar­stel­lung von Bewer­bungs­ge­sprä­chen im Spielfilm dienen häufig der Fort­füh­rung der Handlung („The Shining), können in Kurz­fil­men als Haupt­the­ma auftreten („The Inter­view­er“) oder aber bedeu­tungs­tra­gen­de Ein­zel­sze­nen sein („Step Brothers“). Da bei Rekru­tie­rungs­vor­gän­gen unwei­ger­lich eine ungleiche Macht­ver­tei­lung vorliegt, über­wie­gen Filme, die Per­so­na­lis­ten wenig vor­teil­haft erschei­nen lassen oder das Rekru­tie­rungs­ge­sche­hen pro­ble­ma­ti­sie­ren. Sym­pa­thie­ver­tei­lung auf die Seite der Macht erscheint frag­wür­dig bzw. unmo­ra­lisch. „Train­spot­ting“ (1996) von Danny Boyle nach dem Roman von Irvine Welsh hält dies­be­züg­lich wohl eine der fas­zi­nie­rends­ten Szenen parat. Sie ist komplex und mag zur Fehl­deu­tung verleiten ─ ein Grund näher hinzusehen.

    Das Jobin­ter­view mit Spud spiegelt in zutref­fen­der und gleich­zei­tig ver­wir­ren­der Weise seine Lebens­um­stän­de. Spud lebt in Leith, einem in den 80er-Jahren öko­no­misch und sozial mar­gi­na­li­sier­ten Vorort von Edinburgh. Er gehört einer Gruppe von Jugend­li­chen an, die als Teil der Punk­kul­tur bür­ger­li­che Existenz und die ent­spre­chen­den Werte ablehnt. Weitere Umstände von Bedeutung sind das Dro­gen­mi­lieu, die Lebens­um­stän­de der Unter­schicht sowie sprach­li­che Eigen­ar­ten. Spud‘s sprach­li­ches Vermögen ist auf die aus­schließ­li­che Ver­wen­dung eines regio­na­len Dialektes reduziert, hinzu kommt seine indi­vi­du­el­le Aus­drucks­wei­se und eine unver­meid­li­che milieu­be­ding­te sprach­li­che Beson­der­heit. Dies gilt besonders für die Roman­vor­la­ge ─ um ver­ständ­lich zu bleiben wurden im Film die indi­vi­du­el­le Aus­drucks­wei­se wie auch andere auf­tre­ten­de sprach­li­che Varie­tä­ten dem Stan­dard­eng­lisch etwas angeglichen.

    Spud, vom Arbeits­amt gedrängt, stellt sich dem Bewer­bungs­ge­spräch. Da er weiterhin vom Arbeits­lo­sen­geld leben will, darf er kei­nes­falls erfolg­reich sein. Und so erleben wir Spud auf Speed wie er hastig auf ein­stu­dier­te Rekru­tie­rungs­fra­gen antwortet, die in ihrer Abseh­bar­keit den Sati­re­ch­a­rak­ter der Szene noch anreichern.

    Spud ist allein an einem Ende eines großen Raums und wirkt durch die besondere Raum- bzw. Bild­kom­po­si­ti­on wie gefangen. Am anderen Ende drei Rekru­tie­rungs­ver­ant­wort­li­che. Die räumliche Distanz deutet auch die soziale Distanz an. Die Szene erinnert an ein Tribunal, die Schuld­fra­ge scheint geklärt: Der Bewerber ist offen­sicht­lich ein Ange­hö­ri­ger der Unter­schicht. Spud macht zwar den Eindruck einer stark ver­wirr­ten Person, wirkt aber in gewisser Weise souverän und auch lie­bens­wür­dig, auch kann man über ihn in (hof­fent­lich) soli­da­ri­scher Weise lachen. Auf­fäl­ligs­tes Merkmal ist die Sprache, die seine soziale Herkunft eindeutig zeigt, zumal er nur einen ein­ge­schränk­ten Code im Reper­toire hat. In seinen Antworten finden sich deutliche Anklänge an die soge­nann­te Nonsense-Literatur, eine Gattung, die sich durch ihr Potenzial zur Über­schrei­tung der Normen aus­zeich­net, sowie sur­rea­lis­ti­sche Komik. Ein Beispiel dieser Art und zugleich ein humo­ris­ti­scher Höhepunkt soll hier zitiert werden:

    Inter­viewe­rin: „Mr. Murphy [Spud], …, do you see yourself as having any weaknesses?

    Spud: “No. Well, yes. I have to admit it: I’m a per­fec­tio­n­ist. For me, it’s the best or nothing at all. If things go badly, I can’t be bothered, but I have a good feeling about this interview. Seems to me like it’s gone pretty well. We’ve touched on a lot of subjects, a lot of things to think about, for all of us.”

    Darauf folgt die Ver­ab­schie­dung. Die Gegen­sei­te — die Seite der Macht ist ratlos. Der haupt­ver­ant­wort­li­che Per­so­na­list schließt mit den üblichen Worten: „Danke. Sie werden von uns hören!“, man merkt die Ver­ach­tung am zynischen Lächeln. Spud sei­ner­seits ver­ab­schie­det sich geradezu enthu­si­as­tisch, er ist mit seiner Per­for­mance offen­sicht­lich zufrieden. Wer ihn nicht kennt, könnte das für eine weitere Pro­vo­ka­ti­on halten — mehr­deu­tig bleibt es jeden­falls und es ist gerade diese Mehr­deu­tig­keit, die beeindruckt.

    Spiel­fil­me mit Rekru­tie­rungs­sze­nen bieten oft inter­es­san­te Ansätze die zustän­di­gen Per­so­nal­ver­ant­wort­li­chen zu verunsichern.

    Dr. Reinhold Gaubitsch ist Poli­tik­wis­sen­schaf­ter und war bis zu seiner Pen­sio­nie­rung Pro­jekt­lei­ter in der Abteilung Arbeits­markt- und Berufs­in­for­ma­ti­on (ABI) des Arbeits­markt­ser­vice Öster­reich und unter anderem zuständig für Berufs­in­for­ma­ti­ons­filme.

     

     

    Trainspotting (1996), Danny Boyle, job interview scene with Spud (Ewen Bremner) 

    Shining (1980), Stanley Kubrick, The Interview with Jack Torrance (Jack Nicholson)  

    The Interviewer (2015), Bus Stop Films 

    Step Brothers (2008), Adam McKay, Interview scene with Brennan (Will Ferrell) and Dale (John C. Reilly),  

    Filmstill, The Interviewer (2015)

    Filmstill, Trainspotting (1996)

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    Train­spot­ters’ job interviews

    Reinhold Gaubitsch

    Job-Interviews im Spielfilm sind selten. Dennoch hält die Filmgeschichte einige besondere Leckerbissen bereit. Aus Sicht der Arbeitsmarktverwaltung unübertroffen ist die Interview-Szene aus Trainspotting (1996) von Danny Boyle.

    Per­so­nal­re­kru­tie­rungs­sze­nen bzw. die Dar­stel­lung von Bewer­bungs­ge­sprä­chen im Spielfilm dienen häufig der Fort­füh­rung der Handlung („The Shining), können in Kurz­fil­men als Haupt­the­ma auftreten („The Inter­view­er“) oder aber bedeu­tungs­tra­gen­de Ein­zel­sze­nen sein („Step Brothers“). Da bei Rekru­tie­rungs­vor­gän­gen unwei­ger­lich eine ungleiche Macht­ver­tei­lung vorliegt, über­wie­gen Filme, die Per­so­na­lis­ten wenig vor­teil­haft erschei­nen lassen oder das Rekru­tie­rungs­ge­sche­hen pro­ble­ma­ti­sie­ren. Sym­pa­thie­ver­tei­lung auf die Seite der Macht erscheint frag­wür­dig bzw. unmo­ra­lisch. „Train­spot­ting“ (1996) von Danny Boyle nach dem Roman von Irvine Welsh hält dies­be­züg­lich wohl eine der fas­zi­nie­rends­ten Szenen parat. Sie ist komplex und mag zur Fehl­deu­tung verleiten ─ ein Grund näher hinzusehen.

    Das Jobin­ter­view mit Spud spiegelt in zutref­fen­der und gleich­zei­tig ver­wir­ren­der Weise seine Lebens­um­stän­de. Spud lebt in Leith, einem in den 80er-Jahren öko­no­misch und sozial mar­gi­na­li­sier­ten Vorort von Edinburgh. Er gehört einer Gruppe von Jugend­li­chen an, die als Teil der Punk­kul­tur bür­ger­li­che Existenz und die ent­spre­chen­den Werte ablehnt. Weitere Umstände von Bedeutung sind das Dro­gen­mi­lieu, die Lebens­um­stän­de der Unter­schicht sowie sprach­li­che Eigen­ar­ten. Spud‘s sprach­li­ches Vermögen ist auf die aus­schließ­li­che Ver­wen­dung eines regio­na­len Dialektes reduziert, hinzu kommt seine indi­vi­du­el­le Aus­drucks­wei­se und eine unver­meid­li­che milieu­be­ding­te sprach­li­che Beson­der­heit. Dies gilt besonders für die Roman­vor­la­ge ─ um ver­ständ­lich zu bleiben wurden im Film die indi­vi­du­el­le Aus­drucks­wei­se wie auch andere auf­tre­ten­de sprach­li­che Varie­tä­ten dem Stan­dard­eng­lisch etwas angeglichen.

    Spud, vom Arbeits­amt gedrängt, stellt sich dem Bewer­bungs­ge­spräch. Da er weiterhin vom Arbeits­lo­sen­geld leben will, darf er kei­nes­falls erfolg­reich sein. Und so erleben wir Spud auf Speed wie er hastig auf ein­stu­dier­te Rekru­tie­rungs­fra­gen antwortet, die in ihrer Abseh­bar­keit den Sati­re­ch­a­rak­ter der Szene noch anreichern.

    Spud ist allein an einem Ende eines großen Raums und wirkt durch die besondere Raum- bzw. Bild­kom­po­si­ti­on wie gefangen. Am anderen Ende drei Rekru­tie­rungs­ver­ant­wort­li­che. Die räumliche Distanz deutet auch die soziale Distanz an. Die Szene erinnert an ein Tribunal, die Schuld­fra­ge scheint geklärt: Der Bewerber ist offen­sicht­lich ein Ange­hö­ri­ger der Unter­schicht. Spud macht zwar den Eindruck einer stark ver­wirr­ten Person, wirkt aber in gewisser Weise souverän und auch lie­bens­wür­dig, auch kann man über ihn in (hof­fent­lich) soli­da­ri­scher Weise lachen. Auf­fäl­ligs­tes Merkmal ist die Sprache, die seine soziale Herkunft eindeutig zeigt, zumal er nur einen ein­ge­schränk­ten Code im Reper­toire hat. In seinen Antworten finden sich deutliche Anklänge an die soge­nann­te Nonsense-Literatur, eine Gattung, die sich durch ihr Potenzial zur Über­schrei­tung der Normen aus­zeich­net, sowie sur­rea­lis­ti­sche Komik. Ein Beispiel dieser Art und zugleich ein humo­ris­ti­scher Höhepunkt soll hier zitiert werden:

    Inter­viewe­rin: „Mr. Murphy [Spud], …, do you see yourself as having any weaknesses?

    Spud: “No. Well, yes. I have to admit it: I’m a per­fec­tio­n­ist. For me, it’s the best or nothing at all. If things go badly, I can’t be bothered, but I have a good feeling about this interview. Seems to me like it’s gone pretty well. We’ve touched on a lot of subjects, a lot of things to think about, for all of us.”

    Darauf folgt die Ver­ab­schie­dung. Die Gegen­sei­te — die Seite der Macht ist ratlos. Der haupt­ver­ant­wort­li­che Per­so­na­list schließt mit den üblichen Worten: „Danke. Sie werden von uns hören!“, man merkt die Ver­ach­tung am zynischen Lächeln. Spud sei­ner­seits ver­ab­schie­det sich geradezu enthu­si­as­tisch, er ist mit seiner Per­for­mance offen­sicht­lich zufrieden. Wer ihn nicht kennt, könnte das für eine weitere Pro­vo­ka­ti­on halten — mehr­deu­tig bleibt es jeden­falls und es ist gerade diese Mehr­deu­tig­keit, die beeindruckt.

    Spiel­fil­me mit Rekru­tie­rungs­sze­nen bieten oft inter­es­san­te Ansätze die zustän­di­gen Per­so­nal­ver­ant­wort­li­chen zu verunsichern.

    Dr. Reinhold Gaubitsch ist Poli­tik­wis­sen­schaf­ter und war bis zu seiner Pen­sio­nie­rung Pro­jekt­lei­ter in der Abteilung Arbeits­markt- und Berufs­in­for­ma­ti­on (ABI) des Arbeits­markt­ser­vice Öster­reich und unter anderem zuständig für Berufs­in­for­ma­ti­ons­filme.

     

     

    Trainspotting (1996), Danny Boyle, job interview scene with Spud (Ewen Bremner)

    Shining (1980), Stanley Kubrick, The Interview with Jack Torrance (Jack Nicholson)

    The Interviewer (2015), Bus Stop Films

    Step Brothers (2008), Adam McKay, Interview scene with Brennan (Will Ferrell) and Dale (John C. Reilly),

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    Filmstill, Trainspotting (1996)

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    Über diesen Blog

    Mit der Auswahl eines Films oder eines Bildes ver­an­schau­licht dieser Blog buch­stäb­lich das weite Feld der Arbeit, Beschäf­ti­gung und Bildung in einer offenen Sammlung aka­de­mi­scher, künst­le­ri­scher und auch anek­do­ti­scher Erkenntnisse.

    Über uns

    Konrad Wakol­bin­ger dreht Doku­men­tar­fil­me über Arbeit und Leben. Jörg Mar­ko­witsch forscht zu Bildung und Arbeit.  Beide leben in Wien. Infor­ma­tio­nen zu Gast­au­toren und ‑autorin­nen finden sich bei ihren jewei­li­gen Beiträgen

    Über uns hinaus

    Interesse an mehr? Wir haben hier Emp­feh­lun­gen zu ein­schlä­gi­gen Festivals, Film­samm­lun­gen und Literatur zusammengestellt.

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