Educating Frank
„Der Dozent war engagiert und motiviert.“ Solche Statements werden heutzutage in Seminarevaluationen Studierenden zur Bewertung vorgelegt. Die meisten Studierenden des Literaturdozenten Frank Bryant hätten ihm wohl eine vernichtende Bewertung ausgestellt. Zumindest begegnet uns in den Eingangsszenen des Theaterstücks „Educating Rita“ (1980) von Willy Russell und in der gleichnamigen Verfilmung von Lewis Gilbert ein desillusionierter Dozent mit Alkoholproblem, der von seinen Studierenden gelangweilt ist, ihre Interessen nicht versteht und dem Lernhunger der Open-University-Studentin Susan White, die sich Rita nennt, zunächst ablehnend gegenübersteht. Einerseits ist dies eine dramaturgische Inszenierung, um die Wandlung von Frank (Michael Caine) zu entfalten, der in der Auseinandersetzung mit Rita (Julie Walters) zu neuer Begeisterung für das Unterrichten als ihr Mentor findet. Andererseits ist das Phänomen der Desillusionierung und inneren Emigration bei Lehrkräften in Schule, Universität und Weiterbildung angesichts prekärer Arbeitsbedingungen, hoher psychischen Belastungen oder falscher Berufswahl nicht gerade selten. Wer von uns hat nicht auch Lehrende erlebt, denen man regelrecht anmerkte, dass sie nicht mehr Unterrichten wollen?
Im Oscar-nominierten Film, mit dem unsäglichen deutschen Verleihtitel „Rita will es wissen“, zeigt sich, wie wichtig Beziehungsarbeit auf beiden Seiten der Lehr-/Lernsituation sein kann. Vordergründig unterrichtet Frank Rita in englischsprachiger Literatur und das offensichtliche Kernmotiv des Films ist der Aufstieg von Rita durch akademische Bildung aus der Unter- in die Mittelschicht.
Dass die Bildungsarbeit, als Beziehungsarbeit, auch Frank verändert, gerät dabei leicht aus dem Blick. Nach diversen Irrungen und Wirrungen schließt Rita die Open University mit Auszeichnung ab und es stehen ihr gänzlich neue berufliche Möglichkeiten offen. Frank bricht für einen beruflich und privaten Neubeginn für zwei Jahre nach Australien auf. Letztlich wurde Frank von Rita durch ihre Beharrlichkeit, ihren Lernhunger und ihre zunehmende Mündigkeit eine wichtige Lehre erteilt und ihn neu motiviert. Auch Lehrende können lebenslang lernen.
Ich will damit zumindest zwei kritische Aspekte pädagogischer Arbeit ansprechen und aktuellen Handlungsbedarf aufzeigen. Erstens, Burnout in pädagogischen Berufen ist kein seltenes Problem. Was tun Bildungseinrichtungen und Politik dafür, dies zu verhindern? Im Film hatte Frank einfach Glück, dass er Rita begegnete, doch der Zufall ist keine systematische Lösung.
Zweitens, ist es im digitalen Raum ungemein schwieriger soziale Beziehungsarbeit zu praktizieren. In der Corona-Pandemie waren Lehrende gezwungen auf digitale Lehrformen umsteigen. Inhalte kann man leicht online stellen oder asynchron kommunizieren. „Echte Begegnungen“ im digitalen Raum jenseits von Oberflächlichkeiten sind jedoch schwer zu erreichen. Gerade dahingehend hat die Pandemie deutlich gemacht, wie sehr digitale Lehr- und Lernräume an die Grenzen stoßen — entgegen der marktschreierischen Verheißungen der IT-Konzerne und Tech-Start-Ups, die alles für „digitalisierbar“ erachten.
Wenn wir über Weiterbildung und Arbeit 4.0 diskutieren, muss es aber über mehr als nur Inhaltliches und Technisches gehen, nämlich über die Gesellschaft insgesamt. Auch das macht den Film „Educating Rita“ vierzig Jahre später nach wie vor sehenswert.
Bernd Käpplinger ist Professor für Weiterbildung an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Erster Vorsitzender der Sektion Erwachsenenbildung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE).
Educating Rita, UK 1983, Willy Russell, EN mit englischen Untertiteln
„I’m gonna take ten years off you!“ Rita (Julie Walters) und Frank (Michael Caine) in Educating Rita, 1983, Filmstill
© Russell, Willy (2012): Educating Rita. Diesterweg: Braunschweig, S. 78.
Michael Caine in Educating Rita, 1983, Filmstill
© Columbia Pictures
Educating Frank
„Der Dozent war engagiert und motiviert.“ Solche Statements werden heutzutage in Seminarevaluationen Studierenden zur Bewertung vorgelegt. Die meisten Studierenden des Literaturdozenten Frank Bryant hätten ihm wohl eine vernichtende Bewertung ausgestellt. Zumindest begegnet uns in den Eingangsszenen des Theaterstücks „Educating Rita“ (1980) von Willy Russell und in der gleichnamigen Verfilmung von Lewis Gilbert ein desillusionierter Dozent mit Alkoholproblem, der von seinen Studierenden gelangweilt ist, ihre Interessen nicht versteht und dem Lernhunger der Open-University-Studentin Susan White, die sich Rita nennt, zunächst ablehnend gegenübersteht. Einerseits ist dies eine dramaturgische Inszenierung, um die Wandlung von Frank (Michael Caine) zu entfalten, der in der Auseinandersetzung mit Rita (Julie Walters) zu neuer Begeisterung für das Unterrichten als ihr Mentor findet. Andererseits ist das Phänomen der Desillusionierung und inneren Emigration bei Lehrkräften in Schule, Universität und Weiterbildung angesichts prekärer Arbeitsbedingungen, hoher psychischen Belastungen oder falscher Berufswahl nicht gerade selten. Wer von uns hat nicht auch Lehrende erlebt, denen man regelrecht anmerkte, dass sie nicht mehr Unterrichten wollen?
Im Oscar-nominierten Film, mit dem unsäglichen deutschen Verleihtitel „Rita will es wissen“, zeigt sich, wie wichtig Beziehungsarbeit auf beiden Seiten der Lehr-/Lernsituation sein kann. Vordergründig unterrichtet Frank Rita in englischsprachiger Literatur und das offensichtliche Kernmotiv des Films ist der Aufstieg von Rita durch akademische Bildung aus der Unter- in die Mittelschicht.
Dass die Bildungsarbeit, als Beziehungsarbeit, auch Frank verändert, gerät dabei leicht aus dem Blick. Nach diversen Irrungen und Wirrungen schließt Rita die Open University mit Auszeichnung ab und es stehen ihr gänzlich neue berufliche Möglichkeiten offen. Frank bricht für einen beruflich und privaten Neubeginn für zwei Jahre nach Australien auf. Letztlich wurde Frank von Rita durch ihre Beharrlichkeit, ihren Lernhunger und ihre zunehmende Mündigkeit eine wichtige Lehre erteilt und ihn neu motiviert. Auch Lehrende können lebenslang lernen.
Ich will damit zumindest zwei kritische Aspekte pädagogischer Arbeit ansprechen und aktuellen Handlungsbedarf aufzeigen. Erstens, Burnout in pädagogischen Berufen ist kein seltenes Problem. Was tun Bildungseinrichtungen und Politik dafür, dies zu verhindern? Im Film hatte Frank einfach Glück, dass er Rita begegnete, doch der Zufall ist keine systematische Lösung.
Zweitens, ist es im digitalen Raum ungemein schwieriger soziale Beziehungsarbeit zu praktizieren. In der Corona-Pandemie waren Lehrende gezwungen auf digitale Lehrformen umsteigen. Inhalte kann man leicht online stellen oder asynchron kommunizieren. „Echte Begegnungen“ im digitalen Raum jenseits von Oberflächlichkeiten sind jedoch schwer zu erreichen. Gerade dahingehend hat die Pandemie deutlich gemacht, wie sehr digitale Lehr- und Lernräume an die Grenzen stoßen — entgegen der marktschreierischen Verheißungen der IT-Konzerne und Tech-Start-Ups, die alles für „digitalisierbar“ erachten.
Wenn wir über Weiterbildung und Arbeit 4.0 diskutieren, muss es aber über mehr als nur Inhaltliches und Technisches gehen, nämlich über die Gesellschaft insgesamt. Auch das macht den Film „Educating Rita“ vierzig Jahre später nach wie vor sehenswert.
Bernd Käpplinger ist Professor für Weiterbildung an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Erster Vorsitzender der Sektion Erwachsenenbildung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE).
Educating Rita, UK 1983, Willy Russell, EN mit englischen Untertiteln
„I’m gonna take ten years off you!“ Rita (Julie Walters) und Frank (Michael Caine) in Educating Rita, 1983, Filmstill
© Russell, Willy (2012): Educating Rita. Diesterweg: Braunschweig, S. 78.
Michael Caine in Educating Rita, 1983, Filmstill
© Columbia Pictures
Trainspotters’ job interviews
Job-Interviews im Spielfilm sind selten. Dennoch hält die Filmgeschichte einige besondere Leckerbissen bereit. Aus Sicht der Arbeitsmarktverwaltung unübertroffen ist die Interview-Szene aus Trainspotting (1996) von Danny Boyle.
Was ist Arbeit?
Was Beschäftigung? Und wie haben sie sich über die Jahrhunderte verändert? Führende Wissenschafter:innen aus Europa, den USA, China und Afrika reflektieren diese und verwandte Fragen in einem sechsteiligen Dokumentarfilm von Gérard Mordillat und Bertrand Rothé, der sich auch fabelhaft als Podcast eignet.
Die Grenzen unserer Zukunftsvorstellung: Männer bei der Hausarbeit!
Es ist schwierig, die Zukunft als einem Gegenstand zu begreifen, der einer objektiven Analyse zugänglich ist. Die Zukunft ist unweigerlich ungreifbar. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Die Zukunft der Vergangenheit. «Vergangene Zukünfte» wie sie sich etwa in Werbefilmen der 1950er und 1960er Jahre manifestierten, enthüllen so manch Interessantes, etwa den Mangel an Vorstellung sozialen Wandels.
Zukunft der Arbeit: Science und Science-Fiction
Zukunftsforschung hat sich längst als Wissenschaftsdisziplin etabliert. Weshalb die Forschung sich nicht scheuen sollte, Anleihen bei Science-Fiction Filmen zu nehmen, wird bei der britischen Miniserie „Years and Years“ (2019) von Russell T. Davies deutlich.
THE WALKING MAN
Arbeit adelt. Arbeit macht das Leben süss. Sinnsprüche wie diese schreiben das Prinzip Arbeit apodiktisch als das Richtige und Gute ins Bewusstsein der Menschen ein. Wenn das amerikanische Fernsehen dieses Ideal aufgreift, dann um einen Helden der Arbeit zu kreieren: James Roberston – the walking man.
Arbeitsplatz Atomkraftwerk
Spiel- und Dokumentarfilme zu Reaktorkatastrophen hatten vergangenes Jahr Hochsaison. 10 Jahre Fukushima und 35 Jahre Tschernobyl waren willkommene Anlässe. Für einen Einblick in die Arbeitswelt Atomkraftwerk empfehle ich aber weiter, nämlich auf Volker Sattels „Unter Kontrolle“ (2011), zurückzugreifen.