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  • Sorry, Sie haben das Leben verpasst!


    Konrad Wakolbinger

    Gegen offene Ausbeutung können wir uns wehren. Subtile Formen hingegen sind nicht so leicht erkennbar und schwerer zu bekämpfen.

    Mit Ken Loachs Film “Sorry, we missed you” (2019) erleben wir ein­drück­lich am Beispiel einer Familie, die im deindus­tria­li­sier­ten Norden Englands lebt, wie Unter­neh­men die Markt­ri­si­ken exter­na­li­sie­ren. Sie laden sie jenen auf, die den Druck nicht mehr wei­ter­ge­ben können. Die Arbeiter an der Basis werden von der Last beinahe erdrückt.

    Wenn Rick nicht geöffnet wird, damit er das Paket übergeben kann, klebt er einen Benach­rich­ti­gungs­zet­tel mit der Auf­schrift “Sorry, we missed you” an die Tür.  Für Rick ist das immer eine Nie­der­la­ge, denn er wird pro aus­ge­lie­fer­tem Paket bezahlt. Jede Unwäg­bar­keit fällt auf Rick zurück. Seine Zeit um den Aus­lie­fe­rungs­ort zu erreichen, sein Geld um den Trans­por­ter zu kaufen, und die Miete für den Scanner hat er schon inves­tiert. Der Return on Invest­ment hängt an vielen Faktoren, die Rick kaum beein­flus­sen kann. Beim Ein­stel­lungs­ge­spräch hat der Nie­der­las­sungs­lei­ter des Zustell­diens­tes Rick noch zu seiner Ent­schei­dung, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, gra­tu­liert. Bald wird er Rick mit der Drohung von Geld­ab­zü­gen, denn Lohn kann man es nicht nennen, so unter Druck setzten, dass Rick seine Gesund­heit und den Zusam­men­halt der Familie aufs Spiel setzt. Der Vor­ge­setz­te will sich die Statistik nicht versauen lassen.

    Ricks Frau Abbie steckt als Haus­kran­ken­pfle­ge­rin in einem anderen, aber ebenso belas­ten­den Arbeits­ver­hält­nis. Sie hat einen Null-Stunden-Vertrag.  In Groß­bri­tan­ni­en und auch in den Nie­der­lan­den ist diese Beschäf­ti­gungs­form weit ver­brei­tet. Der Vertrag bindet den Arbeit­neh­mer an das Unter­neh­men, das frei ent­schei­den kann, wieviele Jobs im Monat es an die einzelnen Ange­stell­ten vergibt, bis hin zu keinem einzigen. In einem „zero-hours“-Monat gibt es „zero“ Geld. Abbie ist zu ihren Klienten äußerst für­sorg­lich, sie sind beinahe zu Freunden geworden. Aber die Zeit, die sie in diese Sor­ge­ar­beit inves­tiert, wird ihr nicht ent­spre­chend abgegolten.

    Ken Loach dekli­niert in “Sorry, we missed you” die Lebens­rea­li­tät von Arbeits­kraft­un­ter­neh­mern im Neo­li­be­ra­lis­mus durch. Mit viel Empathie für seine Figuren, die von groß­ar­ti­gen Schau­spie­lern inter­pre­tiert werden, nimmt er uns offen in eine Welt mit, die keiner von uns per­sön­lich ken­nen­ler­nen möchte.

     

    Sorry, Sie haben das Leben verpasst!

    Konrad Wakolbinger

    Gegen offene Ausbeutung können wir uns wehren. Subtile Formen hingegen sind nicht so leicht erkennbar und schwerer zu bekämpfen.

    Mit Ken Loachs Film “Sorry, we missed you” (2019) erleben wir ein­drück­lich am Beispiel einer Familie, die im deindus­tria­li­sier­ten Norden Englands lebt, wie Unter­neh­men die Markt­ri­si­ken exter­na­li­sie­ren. Sie laden sie jenen auf, die den Druck nicht mehr wei­ter­ge­ben können. Die Arbeiter an der Basis werden von der Last beinahe erdrückt.

    Wenn Rick nicht geöffnet wird, damit er das Paket übergeben kann, klebt er einen Benach­rich­ti­gungs­zet­tel mit der Auf­schrift “Sorry, we missed you” an die Tür.  Für Rick ist das immer eine Nie­der­la­ge, denn er wird pro aus­ge­lie­fer­tem Paket bezahlt. Jede Unwäg­bar­keit fällt auf Rick zurück. Seine Zeit um den Aus­lie­fe­rungs­ort zu erreichen, sein Geld um den Trans­por­ter zu kaufen, und die Miete für den Scanner hat er schon inves­tiert. Der Return on Invest­ment hängt an vielen Faktoren, die Rick kaum beein­flus­sen kann. Beim Ein­stel­lungs­ge­spräch hat der Nie­der­las­sungs­lei­ter des Zustell­diens­tes Rick noch zu seiner Ent­schei­dung, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, gra­tu­liert. Bald wird er Rick mit der Drohung von Geld­ab­zü­gen, denn Lohn kann man es nicht nennen, so unter Druck setzten, dass Rick seine Gesund­heit und den Zusam­men­halt der Familie aufs Spiel setzt. Der Vor­ge­setz­te will sich die Statistik nicht versauen lassen.

    Ricks Frau Abbie steckt als Haus­kran­ken­pfle­ge­rin in einem anderen, aber ebenso belas­ten­den Arbeits­ver­hält­nis. Sie hat einen Null-Stunden-Vertrag.  In Groß­bri­tan­ni­en und auch in den Nie­der­lan­den ist diese Beschäf­ti­gungs­form weit ver­brei­tet. Der Vertrag bindet den Arbeit­neh­mer an das Unter­neh­men, das frei ent­schei­den kann, wieviele Jobs im Monat es an die einzelnen Ange­stell­ten vergibt, bis hin zu keinem einzigen. In einem „zero-hours“-Monat gibt es „zero“ Geld. Abbie ist zu ihren Klienten äußerst für­sorg­lich, sie sind beinahe zu Freunden geworden. Aber die Zeit, die sie in diese Sor­ge­ar­beit inves­tiert, wird ihr nicht ent­spre­chend abgegolten.

    Ken Loach dekli­niert in “Sorry, we missed you” die Lebens­rea­li­tät von Arbeits­kraft­un­ter­neh­mern im Neo­li­be­ra­lis­mus durch. Mit viel Empathie für seine Figuren, die von groß­ar­ti­gen Schau­spie­lern inter­pre­tiert werden, nimmt er uns offen in eine Welt mit, die keiner von uns per­sön­lich ken­nen­ler­nen möchte.

     


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