THE WALKING MAN
James Robertson steht schon sein halbes Leben lang an einer Spritzgussmaschine in der Produktionshalle von Schain Mold & Engineering in einem Vorort von Detroit. Irgendwann kann er sich die Reparatur seines Wagens nicht mehr leisten, von da an geht er eben zu Fuss zur Arbeit — 34 Meilen, 5 Tage die Woche, 10 Jahre lang. Einige Teilstrecken kann er mit dem öffentlichen Bus zurücklegen, aber trotzdem wendet er jeden Tag 9 Stunden für seinen Arbeitsweg auf.
Wenn er um 4 Uhr morgens nach Hause kommt, legt er sich für 2 Stunden aufs Ohr, dann muss er wieder los. Um durchzuhalten dopt sich Robertson mit Mountain Dew und Coke. Und am Wochenende kümmert er sich um sein Schlafdefizit. Als ein Banker und ein Student auf den Mann, der sich zu Fuss die Strassen entlang kämpft, aufmerksam werden und ihm mit einer Crowdfunding-Kampagne zu einem neuen Auto verhelfen, wird James Robertson für kurze Zeit zum Medien-Star.
Die Detroit Free Press berichtet im Februar 2015 das erste Mal. Schnell geht Robertsons Geschichte viral, landesweit berichten die Fernsehstationen. James Robertson wird zum “Walking Man”. Im Verlauf eines Interviews sagt die Fox News-Moderatorin zu Robertson: “I’m also proud of you. Because so many people make excuses to why they not go to work. You say, there were no excuses. You are the man that America is looking up to today. And we all want to be like you.”
Elias Canetti schreibt in “Masse und Macht”: “Auf beiden Seiten des ideologischen Konflikts (Anm. Kapitalismus und Kommunismus) wird die Produktion in jeder Weise gefördert und geschürt. Ob man produziert, um zu verkaufen, oder produziert, um zu verteilen, der Prozess dieser Produktion an sich wird nicht nur von keiner der beiden Seiten angetastet, er wird verehrt, und es ist nicht zuviel, wenn man behauptet, dass er in den Augen der meisten heute etwas Heiliges hat.“
James Robertson gibt seine Lebenszeit und seine Gesundheit einem Gott hin, der seine Kinder verzehrt. Dem nicht genug deuten die US-Medien seine Leidensgeschichte zum Ideal und Leitbild um, welches das Dogma einer Arbeitsreligion stützt, an die auch James Roberston glaubt, wenn er sagt: “I can’t imagine not working”.
Siehe auch den Beitrag Adolf Hennecke — Held der Produktionsschlacht.
Detroit Man Walks 21 Miles Round Trip To Work Daily | NBC News
James Robertson Walks 21 Miles Each Way to His Job in Detroit / ABC News
James Robertson, Detroit man with 21-mile walk to work gets car / WXYZ-TV Detroit | Channel 7WXYZ-TV Detroit | Channel 7
© DW Deutsche Welle
THE WALKING MAN
James Robertson steht schon sein halbes Leben lang an einer Spritzgussmaschine in der Produktionshalle von Schain Mold & Engineering in einem Vorort von Detroit. Irgendwann kann er sich die Reparatur seines Wagens nicht mehr leisten, von da an geht er eben zu Fuss zur Arbeit — 34 Meilen, 5 Tage die Woche, 10 Jahre lang. Einige Teilstrecken kann er mit dem öffentlichen Bus zurücklegen, aber trotzdem wendet er jeden Tag 9 Stunden für seinen Arbeitsweg auf.
Wenn er um 4 Uhr morgens nach Hause kommt, legt er sich für 2 Stunden aufs Ohr, dann muss er wieder los. Um durchzuhalten dopt sich Robertson mit Mountain Dew und Coke. Und am Wochenende kümmert er sich um sein Schlafdefizit. Als ein Banker und ein Student auf den Mann, der sich zu Fuss die Strassen entlang kämpft, aufmerksam werden und ihm mit einer Crowdfunding-Kampagne zu einem neuen Auto verhelfen, wird James Robertson für kurze Zeit zum Medien-Star.
Die Detroit Free Press berichtet im Februar 2015 das erste Mal. Schnell geht Robertsons Geschichte viral, landesweit berichten die Fernsehstationen. James Robertson wird zum “Walking Man”. Im Verlauf eines Interviews sagt die Fox News-Moderatorin zu Robertson: “I’m also proud of you. Because so many people make excuses to why they not go to work. You say, there were no excuses. You are the man that America is looking up to today. And we all want to be like you.”
Elias Canetti schreibt in “Masse und Macht”: “Auf beiden Seiten des ideologischen Konflikts (Anm. Kapitalismus und Kommunismus) wird die Produktion in jeder Weise gefördert und geschürt. Ob man produziert, um zu verkaufen, oder produziert, um zu verteilen, der Prozess dieser Produktion an sich wird nicht nur von keiner der beiden Seiten angetastet, er wird verehrt, und es ist nicht zuviel, wenn man behauptet, dass er in den Augen der meisten heute etwas Heiliges hat.“
James Robertson gibt seine Lebenszeit und seine Gesundheit einem Gott hin, der seine Kinder verzehrt. Dem nicht genug deuten die US-Medien seine Leidensgeschichte zum Ideal und Leitbild um, welches das Dogma einer Arbeitsreligion stützt, an die auch James Roberston glaubt, wenn er sagt: “I can’t imagine not working”.
Siehe auch den Beitrag Adolf Hennecke — Held der Produktionsschlacht.
Detroit Man Walks 21 Miles Round Trip To Work Daily | NBC News
James Robertson Walks 21 Miles Each Way to His Job in Detroit / ABC News
James Robertson, Detroit man with 21-mile walk to work gets car / WXYZ-TV Detroit | Channel 7WXYZ-TV Detroit | Channel 7
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Anti-stereotypische Berufe: Ama-San und Haenyo ─ Apnoe-Taucherinnen in Japan und Korea
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