Arbeitsplatz Atomkraftwerk
Von der Terrasse meines Hauses habe ich, mit gehörigem Sicherheitsabstand, Blick auf Österreichs einziges Atomkraftwerk, das bekanntermaßen nie seinen Betrieb aufnahm. Aus der Ferne nimmt es sich wie das Pförtnerhäuschen des, praktisch als Ersatz dafür errichteten, Kohlekraftwerks daneben aus.
Als Österreicher verbinde ich Atomkraftwerke (AKW) automatisch mit Leerstand. Mir bekannte Innenaufnahmen des Kraftwerks zeigen den beeindruckenden Kontrollraum entweder menschenleer oder aber als Kulisse für Modeshootings. Alles was ich bislang über den Arbeitsplatz Atomkraftwerk wusste, verdanke ich Homer Simpson und seinen Kollegen Carl Carlson und Lenny Leonard.
Dass auch die Deutschen das Kunststück fertigbrachten AKWs zu bauen, die nie in Betrieb gingen (z.B. Greifswald) erfuhr ich aus Volker Sattels mehrfach ausgezeichnetem Dokumentarfilm „Unter Kontrolle“ (2011).
Der Film montiert Außen- und Innenaufnahmen deutscher AKWs im eindrucksvollen Cinemascope-Format zu einem großen Ganzen, wobei er auf die erklärende Stimme aus dem Off verzichtet und auch Interviews eher spärlich zum Einsatz kommen. Sattel komponiert den Film gekonnt aus AKWs in allen Aggregatzuständen und Stadien der Nutzung bzw. Vergeudung von Geld, Know-how und Arbeitszeit: Greifswald dient als Schulungszentrum, Stendal befindet sich im Rückbau und „Schneller Brüter“ in Kalkar wurde zum Vergnügungspark umfunktioniert. Ergänzt um Aufnahmen von End- und Zwischenlagern, der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien, Forschungslaboren und der „Jahrestagung Kerntechnik“ vermittelt der Film eine Gesamtschau des zivilen Atomaren-industriellen-Komplexes.
Die von der Kamera dokumentierte Welt ist überwiegend männlich. Es sind Wissenschaftler, Techniker und Strahlenschutzfachmänner, die der Zuschauer bei Wartungsarbeiten, Teambesprechungen und in der Kantine, sowie der der Umkleide und beim Wäschewaschen, erlebt.
Der Fokus des Films, der unmittelbar vor der Katastrophe in Fukushima fertiggestellt wurde und dadurch erhöhte Aufmerksamkeit erhielt, liegt anfänglich eindeutig auf Sicherheitsaspekten. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Experten vermögen die Bilder, die streckenweise die Anmutung eines Science-Fiction-Films aus der Vergangenheit haben, jedoch nicht zu vermitteln, dass hier alles „unter Kontrolle“ ist. Ganz im Gegenteil, es beschleicht einem das mulmige Gefühl, Technik und „höherer Gewalt“ gleichermaßen ausgeliefert zu sein.
Später verschiebt sich der Fokus des Films auf Entsorgung, Rückbau und Nachnutzung der AKWs. Dabei wird deutlich, dass an Strahlenschutzfachleuten kaum mehr Bedarf besteht. Ganz im Gegenteil, sie werden zu Fachkräften für den Kraftwerksrückbau umgeschult. Der Film „Unter Kontrolle“ ist damit auch ein frühes und hervorragendes Beispiel für die Entwicklung des Bedarfs an „Green Skills“. Die durch gesellschaftliche und politische Veränderung umgeprägten Werte und Tätigkeiten von AKW-Mitarbeiter*innen und die damit einhergehenden persönlichen Herausforderungen sowie Verbitterung werden jedoch nur am Rande angedeutet.
Im Februar 2011 hatte „Unter Kontrolle“ Premiere bei der Berlinale, im März kam es zur Atomkatastrophe in Japan, im Mai war Kinostart, im Juni beschloss der Bundestag die Beendigung der Kernenergienutzung in Deutschland bis zum Jahr 2022.
Just zu Beginn dieses Jahres erklärt die EU Atomkraft zur „grünen“ Energie. Eine Chuzpe sondergleichen, die jahrzehntelange Umweltbemühungen untergräbt. Den Verantwortlichen sei „Unter Kontrolle“ empfohlen oder, wenn sie doch mehr der Action-Typ sind, die hervorragende HBO-Serie „Chernobyl“ (2019), der Spielfilm „Fukushima 50“ (2020) oder die nicht weniger aufregende Dokumentarfilmversion „Fukoshima: A Nuclear Story‘“ (2015).
Ich danke meinem Freund Christian Nagl für den Hinweis auf Volker Sattels Film.
„Unter Kontrolle“ (2011), Volker Sattel, Trailer
Chernobyl, 2019, Trailer
Fukushima 50, 2021, Trailer
Fukoshima: A Nuclear Story, 2015, Trailer
Unter Kontrolle, 2011, Still
© credo:film
Unter Kontrolle, 2011, Still
© credo:film
Unter Kontrolle, 2011, Still
© credo:film
Unter Kontrolle, 2011, Still
© credo:film
Arbeitsplatz Atomkraftwerk
Von der Terrasse meines Hauses habe ich, mit gehörigem Sicherheitsabstand, Blick auf Österreichs einziges Atomkraftwerk, das bekanntermaßen nie seinen Betrieb aufnahm. Aus der Ferne nimmt es sich wie das Pförtnerhäuschen des, praktisch als Ersatz dafür errichteten, Kohlekraftwerks daneben aus.
Als Österreicher verbinde ich Atomkraftwerke (AKW) automatisch mit Leerstand. Mir bekannte Innenaufnahmen des Kraftwerks zeigen den beeindruckenden Kontrollraum entweder menschenleer oder aber als Kulisse für Modeshootings. Alles was ich bislang über den Arbeitsplatz Atomkraftwerk wusste, verdanke ich Homer Simpson und seinen Kollegen Carl Carlson und Lenny Leonard.
Dass auch die Deutschen das Kunststück fertigbrachten AKWs zu bauen, die nie in Betrieb gingen (z.B. Greifswald) erfuhr ich aus Volker Sattels mehrfach ausgezeichnetem Dokumentarfilm „Unter Kontrolle“ (2011).
Der Film montiert Außen- und Innenaufnahmen deutscher AKWs im eindrucksvollen Cinemascope-Format zu einem großen Ganzen, wobei er auf die erklärende Stimme aus dem Off verzichtet und auch Interviews eher spärlich zum Einsatz kommen. Sattel komponiert den Film gekonnt aus AKWs in allen Aggregatzuständen und Stadien der Nutzung bzw. Vergeudung von Geld, Know-how und Arbeitszeit: Greifswald dient als Schulungszentrum, Stendal befindet sich im Rückbau und „Schneller Brüter“ in Kalkar wurde zum Vergnügungspark umfunktioniert. Ergänzt um Aufnahmen von End- und Zwischenlagern, der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien, Forschungslaboren und der „Jahrestagung Kerntechnik“ vermittelt der Film eine Gesamtschau des zivilen Atomaren-industriellen-Komplexes.
Die von der Kamera dokumentierte Welt ist überwiegend männlich. Es sind Wissenschaftler, Techniker und Strahlenschutzfachmänner, die der Zuschauer bei Wartungsarbeiten, Teambesprechungen und in der Kantine, sowie der der Umkleide und beim Wäschewaschen, erlebt.
Der Fokus des Films, der unmittelbar vor der Katastrophe in Fukushima fertiggestellt wurde und dadurch erhöhte Aufmerksamkeit erhielt, liegt anfänglich eindeutig auf Sicherheitsaspekten. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Experten vermögen die Bilder, die streckenweise die Anmutung eines Science-Fiction-Films aus der Vergangenheit haben, jedoch nicht zu vermitteln, dass hier alles „unter Kontrolle“ ist. Ganz im Gegenteil, es beschleicht einem das mulmige Gefühl, Technik und „höherer Gewalt“ gleichermaßen ausgeliefert zu sein.
Später verschiebt sich der Fokus des Films auf Entsorgung, Rückbau und Nachnutzung der AKWs. Dabei wird deutlich, dass an Strahlenschutzfachleuten kaum mehr Bedarf besteht. Ganz im Gegenteil, sie werden zu Fachkräften für den Kraftwerksrückbau umgeschult. Der Film „Unter Kontrolle“ ist damit auch ein frühes und hervorragendes Beispiel für die Entwicklung des Bedarfs an „Green Skills“. Die durch gesellschaftliche und politische Veränderung umgeprägten Werte und Tätigkeiten von AKW-Mitarbeiter*innen und die damit einhergehenden persönlichen Herausforderungen sowie Verbitterung werden jedoch nur am Rande angedeutet.
Im Februar 2011 hatte „Unter Kontrolle“ Premiere bei der Berlinale, im März kam es zur Atomkatastrophe in Japan, im Mai war Kinostart, im Juni beschloss der Bundestag die Beendigung der Kernenergienutzung in Deutschland bis zum Jahr 2022.
Just zu Beginn dieses Jahres erklärt die EU Atomkraft zur „grünen“ Energie. Eine Chuzpe sondergleichen, die jahrzehntelange Umweltbemühungen untergräbt. Den Verantwortlichen sei „Unter Kontrolle“ empfohlen oder, wenn sie doch mehr der Action-Typ sind, die hervorragende HBO-Serie „Chernobyl“ (2019), der Spielfilm „Fukushima 50“ (2020) oder die nicht weniger aufregende Dokumentarfilmversion „Fukoshima: A Nuclear Story‘“ (2015).
Ich danke meinem Freund Christian Nagl für den Hinweis auf Volker Sattels Film.
„Unter Kontrolle“ (2011), Volker Sattel, Trailer
Chernobyl, 2019, Trailer
Fukushima 50, 2021, Trailer
Fukoshima: A Nuclear Story, 2015, Trailer
Unter Kontrolle, 2011, Still
© credo:film
Unter Kontrolle, 2011, Still
© credo:film
Unter Kontrolle, 2011, Still
© credo:film
Unter Kontrolle, 2011, Still
© credo:film
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