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  • Arbeits­platz Atomkraftwerk


    Jörg Markowitsch

    Spiel- und Dokumentarfilme zu Reaktorkatastrophen hatten vergangenes Jahr Hochsaison. 10 Jahre Fukushima und 35 Jahre Tschernobyl waren willkommene Anlässe. Für einen Einblick in die Arbeitswelt Atomkraftwerk empfehle ich aber weiter, nämlich auf Volker Sattels „Unter Kontrolle“ (2011), zurückzugreifen.

    Von der Terrasse meines Hauses habe ich, mit gehörigem Sicher­heits­ab­stand, Blick auf Öster­reichs einziges Atom­kraft­werk, das bekann­ter­ma­ßen nie seinen Betrieb aufnahm. Aus der Ferne nimmt es sich wie das Pfört­ner­häus­chen des, praktisch als Ersatz dafür errich­te­ten, Koh­le­kraft­werks daneben aus.

    Als Öster­rei­cher verbinde ich Atom­kraft­wer­ke (AKW) auto­ma­tisch mit Leerstand. Mir bekannte Innen­auf­nah­men des Kraft­werks zeigen den beein­dru­cken­den Kon­troll­raum entweder men­schen­leer oder aber als Kulisse für Modes­hoo­tings. Alles was ich bislang über den Arbeits­platz Atom­kraft­werk wusste, verdanke ich Homer Simpson und seinen Kollegen Carl Carlson und Lenny Leonard.

    Dass auch die Deutschen das Kunst­stück fer­tig­brach­ten AKWs zu bauen, die nie in Betrieb gingen (z.B. Greifs­wald) erfuhr ich aus Volker Sattels mehrfach aus­ge­zeich­ne­tem Doku­men­tar­film „Unter Kontrolle“ (2011).

    Der Film montiert Außen- und Innen­auf­nah­men deutscher AKWs im ein­drucks­vol­len Cine­ma­scope-Format zu einem großen Ganzen, wobei er auf die erklä­ren­de Stimme aus dem Off ver­zich­tet und auch Inter­views eher spärlich zum Einsatz kommen. Sattel kom­po­niert den Film gekonnt aus AKWs in allen Aggre­gat­zu­stän­den und Stadien der Nutzung bzw. Ver­geu­dung von Geld, Know-how und Arbeits­zeit: Greifs­wald dient als Schu­lungs­zen­trum, Stendal befindet sich im Rückbau und „Schneller Brüter“ in Kalkar wurde zum Ver­gnü­gungs­park umfunk­tio­niert. Ergänzt um Aufnahmen von End- und Zwi­schen­la­gern, der Inter­na­tio­na­len Atom­ener­gie­be­hör­de (IAEA) in Wien, For­schungs­la­bo­ren und der „Jah­res­ta­gung Kern­tech­nik“ ver­mit­telt der Film eine Gesamt­schau des zivilen Atomaren-industriellen-Komplexes.

    Die von der Kamera doku­men­tier­te Welt ist über­wie­gend männlich. Es sind Wis­sen­schaft­ler, Techniker und Strah­len­schutz­fach­män­ner, die der Zuschauer bei War­tungs­ar­bei­ten, Team­be­spre­chun­gen und in der Kantine, sowie der der Umkleide und beim Wäsche­wa­schen, erlebt.

    Der Fokus des Films, der unmit­tel­bar vor der Kata­stro­phe in Fukushima fer­tig­ge­stellt wurde und dadurch erhöhte Auf­merk­sam­keit erhielt, liegt anfäng­lich eindeutig auf Sicher­heits­aspek­ten. Im Gegensatz zu den Aus­füh­run­gen der Experten vermögen die Bilder, die stre­cken­wei­se die Anmutung eines Science-Fiction-Films aus der Ver­gan­gen­heit haben, jedoch nicht zu ver­mit­teln, dass hier alles „unter Kontrolle“ ist. Ganz im Gegenteil, es beschleicht einem das mulmige Gefühl, Technik und „höherer Gewalt“ glei­cher­ma­ßen aus­ge­lie­fert zu sein.

    Später ver­schiebt sich der Fokus des Films auf Ent­sor­gung, Rückbau und Nach­nut­zung der AKWs. Dabei wird deutlich, dass an Strah­len­schutz­fach­leu­ten kaum mehr Bedarf besteht. Ganz im Gegenteil, sie werden zu Fach­kräf­ten für den Kraft­werks­rück­bau umge­schult. Der Film „Unter Kontrolle“ ist damit auch ein frühes und her­vor­ra­gen­des Beispiel für die Ent­wick­lung des Bedarfs an „Green Skills“. Die durch gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Ver­än­de­rung umge­präg­ten Werte und Tätig­kei­ten von AKW-Mitarbeiter*innen und die damit ein­her­ge­hen­den per­sön­li­chen Her­aus­for­de­run­gen sowie Ver­bit­te­rung werden jedoch nur am Rande angedeutet.

    Im Februar 2011 hatte „Unter Kontrolle“ Premiere bei der Berlinale, im März kam es zur Atom­ka­ta­stro­phe in Japan, im Mai war Kinostart, im Juni beschloss der Bundestag die Been­di­gung der Kern­ener­gie­nut­zung in Deutsch­land bis zum Jahr 2022.

    Just zu Beginn dieses Jahres erklärt die EU Atomkraft zur „grünen“ Energie. Eine Chuzpe son­der­glei­chen, die jahr­zehn­te­lan­ge Umwelt­be­mü­hun­gen unter­gräbt. Den Ver­ant­wort­li­chen sei „Unter Kontrolle“ empfohlen oder, wenn sie doch mehr der Action-Typ sind, die her­vor­ra­gen­de HBO-Serie „Chernobyl“ (2019), der Spielfilm „Fukushima 50“ (2020) oder die nicht weniger auf­re­gen­de Doku­men­tar­film­ver­si­on „Fukoshima: A Nuclear Story‘“ (2015).

    Ich danke meinem Freund Christian Nagl für den Hinweis auf Volker Sattels Film.

    „Unter Kontrolle“ (2011), Volker Sattel, Trailer 

    Chernobyl, 2019, Trailer 

    Fukushima 50, 2021, Trailer 

    Fukoshima: A Nuclear Story, 2015, Trailer 

    Unter Kontrolle, 2011, Still

    Unter Kontrolle, 2011, Still

    Unter Kontrolle, 2011, Still

    Unter Kontrolle, 2011, Still

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    Arbeits­platz Atomkraftwerk

    Jörg Markowitsch

    Spiel- und Dokumentarfilme zu Reaktorkatastrophen hatten vergangenes Jahr Hochsaison. 10 Jahre Fukushima und 35 Jahre Tschernobyl waren willkommene Anlässe. Für einen Einblick in die Arbeitswelt Atomkraftwerk empfehle ich aber weiter, nämlich auf Volker Sattels „Unter Kontrolle“ (2011), zurückzugreifen.

    Von der Terrasse meines Hauses habe ich, mit gehörigem Sicher­heits­ab­stand, Blick auf Öster­reichs einziges Atom­kraft­werk, das bekann­ter­ma­ßen nie seinen Betrieb aufnahm. Aus der Ferne nimmt es sich wie das Pfört­ner­häus­chen des, praktisch als Ersatz dafür errich­te­ten, Koh­le­kraft­werks daneben aus.

    Als Öster­rei­cher verbinde ich Atom­kraft­wer­ke (AKW) auto­ma­tisch mit Leerstand. Mir bekannte Innen­auf­nah­men des Kraft­werks zeigen den beein­dru­cken­den Kon­troll­raum entweder men­schen­leer oder aber als Kulisse für Modes­hoo­tings. Alles was ich bislang über den Arbeits­platz Atom­kraft­werk wusste, verdanke ich Homer Simpson und seinen Kollegen Carl Carlson und Lenny Leonard.

    Dass auch die Deutschen das Kunst­stück fer­tig­brach­ten AKWs zu bauen, die nie in Betrieb gingen (z.B. Greifs­wald) erfuhr ich aus Volker Sattels mehrfach aus­ge­zeich­ne­tem Doku­men­tar­film „Unter Kontrolle“ (2011).

    Der Film montiert Außen- und Innen­auf­nah­men deutscher AKWs im ein­drucks­vol­len Cine­ma­scope-Format zu einem großen Ganzen, wobei er auf die erklä­ren­de Stimme aus dem Off ver­zich­tet und auch Inter­views eher spärlich zum Einsatz kommen. Sattel kom­po­niert den Film gekonnt aus AKWs in allen Aggre­gat­zu­stän­den und Stadien der Nutzung bzw. Ver­geu­dung von Geld, Know-how und Arbeits­zeit: Greifs­wald dient als Schu­lungs­zen­trum, Stendal befindet sich im Rückbau und „Schneller Brüter“ in Kalkar wurde zum Ver­gnü­gungs­park umfunk­tio­niert. Ergänzt um Aufnahmen von End- und Zwi­schen­la­gern, der Inter­na­tio­na­len Atom­ener­gie­be­hör­de (IAEA) in Wien, For­schungs­la­bo­ren und der „Jah­res­ta­gung Kern­tech­nik“ ver­mit­telt der Film eine Gesamt­schau des zivilen Atomaren-industriellen-Komplexes.

    Die von der Kamera doku­men­tier­te Welt ist über­wie­gend männlich. Es sind Wis­sen­schaft­ler, Techniker und Strah­len­schutz­fach­män­ner, die der Zuschauer bei War­tungs­ar­bei­ten, Team­be­spre­chun­gen und in der Kantine, sowie der der Umkleide und beim Wäsche­wa­schen, erlebt.

    Der Fokus des Films, der unmit­tel­bar vor der Kata­stro­phe in Fukushima fer­tig­ge­stellt wurde und dadurch erhöhte Auf­merk­sam­keit erhielt, liegt anfäng­lich eindeutig auf Sicher­heits­aspek­ten. Im Gegensatz zu den Aus­füh­run­gen der Experten vermögen die Bilder, die stre­cken­wei­se die Anmutung eines Science-Fiction-Films aus der Ver­gan­gen­heit haben, jedoch nicht zu ver­mit­teln, dass hier alles „unter Kontrolle“ ist. Ganz im Gegenteil, es beschleicht einem das mulmige Gefühl, Technik und „höherer Gewalt“ glei­cher­ma­ßen aus­ge­lie­fert zu sein.

    Später ver­schiebt sich der Fokus des Films auf Ent­sor­gung, Rückbau und Nach­nut­zung der AKWs. Dabei wird deutlich, dass an Strah­len­schutz­fach­leu­ten kaum mehr Bedarf besteht. Ganz im Gegenteil, sie werden zu Fach­kräf­ten für den Kraft­werks­rück­bau umge­schult. Der Film „Unter Kontrolle“ ist damit auch ein frühes und her­vor­ra­gen­des Beispiel für die Ent­wick­lung des Bedarfs an „Green Skills“. Die durch gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Ver­än­de­rung umge­präg­ten Werte und Tätig­kei­ten von AKW-Mitarbeiter*innen und die damit ein­her­ge­hen­den per­sön­li­chen Her­aus­for­de­run­gen sowie Ver­bit­te­rung werden jedoch nur am Rande angedeutet.

    Im Februar 2011 hatte „Unter Kontrolle“ Premiere bei der Berlinale, im März kam es zur Atom­ka­ta­stro­phe in Japan, im Mai war Kinostart, im Juni beschloss der Bundestag die Been­di­gung der Kern­ener­gie­nut­zung in Deutsch­land bis zum Jahr 2022.

    Just zu Beginn dieses Jahres erklärt die EU Atomkraft zur „grünen“ Energie. Eine Chuzpe son­der­glei­chen, die jahr­zehn­te­lan­ge Umwelt­be­mü­hun­gen unter­gräbt. Den Ver­ant­wort­li­chen sei „Unter Kontrolle“ empfohlen oder, wenn sie doch mehr der Action-Typ sind, die her­vor­ra­gen­de HBO-Serie „Chernobyl“ (2019), der Spielfilm „Fukushima 50“ (2020) oder die nicht weniger auf­re­gen­de Doku­men­tar­film­ver­si­on „Fukoshima: A Nuclear Story‘“ (2015).

    Ich danke meinem Freund Christian Nagl für den Hinweis auf Volker Sattels Film.

    „Unter Kontrolle“ (2011), Volker Sattel, Trailer

    Chernobyl, 2019, Trailer

    Fukushima 50, 2021, Trailer

    Fukoshima: A Nuclear Story, 2015, Trailer

    Unter Kontrolle, 2011, Still

    Unter Kontrolle, 2011, Still

    Unter Kontrolle, 2011, Still

    Unter Kontrolle, 2011, Still

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