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  • Educating Frank


    Bernd Käpplinger

    „Educating Rita“ (1983) ist das unbestrittene filmische Lieblingsbeispiel der Erwachsenenbildungsforschung: selten wurde der soziale Aufstieg über Bildung so facettenreich wie unterhaltsam erzählt. In Zeiten digitaler Lehre lohnt ein Wiedersehen mit Fokus auf der zweiten Hauptrolle, neben Rita, dem Dozenten Frank, alias Michael Caine.

    „Der Dozent war engagiert und motiviert.“ Solche State­ments werden heut­zu­ta­ge in Semi­nar­eva­lua­tio­nen Stu­die­ren­den zur Bewertung vorgelegt. Die meisten Stu­die­ren­den des Lite­ra­turdo­zen­ten Frank Bryant hätten ihm wohl eine ver­nich­ten­de Bewertung aus­ge­stellt. Zumindest begegnet uns in den Ein­gangs­sze­nen des Thea­ter­stücks „Educating Rita“ (1980) von Willy Russell und in der gleich­na­mi­gen Ver­fil­mung von Lewis Gilbert ein des­il­lu­sio­nier­ter Dozent mit Alko­hol­pro­blem, der von seinen Stu­die­ren­den gelang­weilt ist, ihre Inter­es­sen nicht versteht und dem Lern­hun­ger der Open-Uni­ver­si­ty-Studentin Susan White, die sich Rita nennt, zunächst ablehnend gegen­über­steht. Einer­seits ist dies eine dra­ma­tur­gi­sche Insze­nie­rung, um die Wandlung von Frank (Michael Caine) zu entfalten, der in der Aus­ein­an­der­set­zung mit Rita (Julie Walters) zu neuer Begeis­te­rung für das Unter­rich­ten als ihr Mentor findet. Ande­rer­seits ist das Phänomen der Des­il­lu­sio­nie­rung und inneren Emi­gra­ti­on bei Lehr­kräf­ten in Schule, Uni­ver­si­tät und Wei­ter­bil­dung ange­sichts prekärer Arbeits­be­din­gun­gen, hoher psy­chi­schen Belas­tun­gen oder falscher Berufs­wahl nicht gerade selten. Wer von uns hat nicht auch Lehrende erlebt, denen man regel­recht anmerkte, dass sie nicht mehr Unter­rich­ten wollen?

    Im Oscar-nomi­nier­ten Film, mit dem unsäg­li­chen deutschen Ver­leih­ti­tel „Rita will es wissen“, zeigt sich, wie wichtig Bezie­hungs­ar­beit auf beiden Seiten der Lehr-/Lern­si­tua­ti­on sein kann. Vor­der­grün­dig unter­rich­tet Frank Rita in eng­lisch­spra­chi­ger Literatur und das offen­sicht­li­che Kernmotiv des Films ist der Aufstieg von Rita durch aka­de­mi­sche Bildung aus der Unter- in die Mittelschicht.

    Dass die Bil­dungs­ar­beit, als Bezie­hungs­ar­beit, auch Frank verändert, gerät dabei leicht aus dem Blick. Nach diversen Irrungen und Wirrungen schließt Rita die Open Uni­ver­si­ty mit Aus­zeich­nung ab und es stehen ihr gänzlich neue beruf­li­che Mög­lich­kei­ten offen. Frank bricht für einen beruflich und privaten Neubeginn für zwei Jahre nach Aus­tra­li­en auf. Letztlich wurde Frank von Rita durch ihre Beharr­lich­keit, ihren Lern­hun­ger und ihre zuneh­men­de Mün­dig­keit eine wichtige Lehre erteilt und ihn neu motiviert. Auch Lehrende können lebens­lang lernen.

    Ich will damit zumindest zwei kritische Aspekte päd­ago­gi­scher Arbeit anspre­chen und aktuellen Hand­lungs­be­darf aufzeigen. Erstens, Burnout in päd­ago­gi­schen Berufen ist kein seltenes Problem. Was tun Bil­dungs­ein­rich­tun­gen und Politik dafür, dies zu ver­hin­dern? Im Film hatte Frank einfach Glück, dass er Rita begegnete, doch der Zufall ist keine sys­te­ma­ti­sche Lösung.

    Zweitens, ist es im digitalen Raum ungemein schwie­ri­ger soziale Bezie­hungs­ar­beit zu prak­ti­zie­ren. In der Corona-Pandemie waren Lehrende gezwungen auf digitale Lehr­for­men umsteigen. Inhalte kann man leicht online stellen oder asynchron kom­mu­ni­zie­ren. „Echte Begeg­nun­gen“ im digitalen Raum jenseits von Ober­fläch­lich­kei­ten sind jedoch schwer zu erreichen. Gerade dahin­ge­hend hat die Pandemie deutlich gemacht, wie sehr digitale Lehr- und Lernräume an die Grenzen stoßen — entgegen der markt­schreie­ri­schen Ver­hei­ßun­gen der IT-Konzerne und Tech-Start-Ups, die alles für „digi­ta­li­sier­bar“ erachten.

    Wenn wir über Wei­ter­bil­dung und Arbeit 4.0 dis­ku­tie­ren, muss es aber über mehr als nur Inhalt­li­ches und Tech­ni­sches gehen, nämlich über die Gesell­schaft insgesamt. Auch das macht den Film „Educating Rita“ vierzig Jahre später nach wie vor sehenswert.

    Bernd Käpp­lin­ger ist Professor für Wei­ter­bil­dung an der Justus-Liebig-Uni­ver­si­tät Gießen und Erster Vor­sit­zen­der der Sektion Erwach­se­nen­bil­dung in der Deutschen Gesell­schaft für Erzie­hungs­wis­sen­schaft (DGfE).

     

    Educating Rita, UK 1983, Willy Russell, EN mit englischen Untertiteln 

    „I’m gonna take ten years off you!“ Rita (Julie Walters) und Frank (Michael Caine) in Educating Rita, 1983, Filmstill

    Michael Caine in Educating Rita, 1983, Filmstill

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    Educating Frank

    Bernd Käpplinger

    „Educating Rita“ (1983) ist das unbestrittene filmische Lieblingsbeispiel der Erwachsenenbildungsforschung: selten wurde der soziale Aufstieg über Bildung so facettenreich wie unterhaltsam erzählt. In Zeiten digitaler Lehre lohnt ein Wiedersehen mit Fokus auf der zweiten Hauptrolle, neben Rita, dem Dozenten Frank, alias Michael Caine.

    „Der Dozent war engagiert und motiviert.“ Solche State­ments werden heut­zu­ta­ge in Semi­nar­eva­lua­tio­nen Stu­die­ren­den zur Bewertung vorgelegt. Die meisten Stu­die­ren­den des Lite­ra­turdo­zen­ten Frank Bryant hätten ihm wohl eine ver­nich­ten­de Bewertung aus­ge­stellt. Zumindest begegnet uns in den Ein­gangs­sze­nen des Thea­ter­stücks „Educating Rita“ (1980) von Willy Russell und in der gleich­na­mi­gen Ver­fil­mung von Lewis Gilbert ein des­il­lu­sio­nier­ter Dozent mit Alko­hol­pro­blem, der von seinen Stu­die­ren­den gelang­weilt ist, ihre Inter­es­sen nicht versteht und dem Lern­hun­ger der Open-Uni­ver­si­ty-Studentin Susan White, die sich Rita nennt, zunächst ablehnend gegen­über­steht. Einer­seits ist dies eine dra­ma­tur­gi­sche Insze­nie­rung, um die Wandlung von Frank (Michael Caine) zu entfalten, der in der Aus­ein­an­der­set­zung mit Rita (Julie Walters) zu neuer Begeis­te­rung für das Unter­rich­ten als ihr Mentor findet. Ande­rer­seits ist das Phänomen der Des­il­lu­sio­nie­rung und inneren Emi­gra­ti­on bei Lehr­kräf­ten in Schule, Uni­ver­si­tät und Wei­ter­bil­dung ange­sichts prekärer Arbeits­be­din­gun­gen, hoher psy­chi­schen Belas­tun­gen oder falscher Berufs­wahl nicht gerade selten. Wer von uns hat nicht auch Lehrende erlebt, denen man regel­recht anmerkte, dass sie nicht mehr Unter­rich­ten wollen?

    Im Oscar-nomi­nier­ten Film, mit dem unsäg­li­chen deutschen Ver­leih­ti­tel „Rita will es wissen“, zeigt sich, wie wichtig Bezie­hungs­ar­beit auf beiden Seiten der Lehr-/Lern­si­tua­ti­on sein kann. Vor­der­grün­dig unter­rich­tet Frank Rita in eng­lisch­spra­chi­ger Literatur und das offen­sicht­li­che Kernmotiv des Films ist der Aufstieg von Rita durch aka­de­mi­sche Bildung aus der Unter- in die Mittelschicht.

    Dass die Bil­dungs­ar­beit, als Bezie­hungs­ar­beit, auch Frank verändert, gerät dabei leicht aus dem Blick. Nach diversen Irrungen und Wirrungen schließt Rita die Open Uni­ver­si­ty mit Aus­zeich­nung ab und es stehen ihr gänzlich neue beruf­li­che Mög­lich­kei­ten offen. Frank bricht für einen beruflich und privaten Neubeginn für zwei Jahre nach Aus­tra­li­en auf. Letztlich wurde Frank von Rita durch ihre Beharr­lich­keit, ihren Lern­hun­ger und ihre zuneh­men­de Mün­dig­keit eine wichtige Lehre erteilt und ihn neu motiviert. Auch Lehrende können lebens­lang lernen.

    Ich will damit zumindest zwei kritische Aspekte päd­ago­gi­scher Arbeit anspre­chen und aktuellen Hand­lungs­be­darf aufzeigen. Erstens, Burnout in päd­ago­gi­schen Berufen ist kein seltenes Problem. Was tun Bil­dungs­ein­rich­tun­gen und Politik dafür, dies zu ver­hin­dern? Im Film hatte Frank einfach Glück, dass er Rita begegnete, doch der Zufall ist keine sys­te­ma­ti­sche Lösung.

    Zweitens, ist es im digitalen Raum ungemein schwie­ri­ger soziale Bezie­hungs­ar­beit zu prak­ti­zie­ren. In der Corona-Pandemie waren Lehrende gezwungen auf digitale Lehr­for­men umsteigen. Inhalte kann man leicht online stellen oder asynchron kom­mu­ni­zie­ren. „Echte Begeg­nun­gen“ im digitalen Raum jenseits von Ober­fläch­lich­kei­ten sind jedoch schwer zu erreichen. Gerade dahin­ge­hend hat die Pandemie deutlich gemacht, wie sehr digitale Lehr- und Lernräume an die Grenzen stoßen — entgegen der markt­schreie­ri­schen Ver­hei­ßun­gen der IT-Konzerne und Tech-Start-Ups, die alles für „digi­ta­li­sier­bar“ erachten.

    Wenn wir über Wei­ter­bil­dung und Arbeit 4.0 dis­ku­tie­ren, muss es aber über mehr als nur Inhalt­li­ches und Tech­ni­sches gehen, nämlich über die Gesell­schaft insgesamt. Auch das macht den Film „Educating Rita“ vierzig Jahre später nach wie vor sehenswert.

    Bernd Käpp­lin­ger ist Professor für Wei­ter­bil­dung an der Justus-Liebig-Uni­ver­si­tät Gießen und Erster Vor­sit­zen­der der Sektion Erwach­se­nen­bil­dung in der Deutschen Gesell­schaft für Erzie­hungs­wis­sen­schaft (DGfE).

     

    Educating Rita, UK 1983, Willy Russell, EN mit englischen Untertiteln

    „I’m gonna take ten years off you!“ Rita (Julie Walters) und Frank (Michael Caine) in Educating Rita, 1983, Filmstill

    Michael Caine in Educating Rita, 1983, Filmstill

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