Fit mach mit
Rennräder, Laufschuhe, Yogamatten, Fitnesscenter-Abos, solche Dinge hat man als mittelschichtiger Erste-Welt-Mensch. Einmal im Jahr einen Marathon “finishen” ist für jeden ambitionierten Manager eine standesgemäße Selbstverpflichtung. Gibt es noch irgendein großes Unternehmen ohne Fitnessprogramm? Die Gesundheit und Leistungsfähigkeit unserer Mitarbeiter ist uns schließlich wichtig.
Der kolossale, gestählte, muskulöse Arbeiterkörper in der Bildsprache des “Sozialistischen Realismus” verkörperte das Ideal der heroischen Arbeit des “Neuen Menschen” für Fortschritt und Kommunismus. Die fleißigen, pflichtbewussten Arbeiter von General Motors, die mit kollektivem Einsatz die fordistische Massenproduktion zu immer größerer Effizienz treiben, sind kaum von ihrem sozialistischen Gegenüber zu unterscheiden. Dann, Mitte der 1970er Jahre beginnend, genau als die Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit die erste große Krise erlebte, wird der gewaltige starke, männliche Körper vom fitten und gesunden Körper von Mann und Frau abgelöst.
Der erste Star der neuen Fitnessbewegung war Jane Fonda. Sie verkaufte von ihren Aerobic-Videos mehr als eine Million Kopien und förderte damit sogar die Verbreitung des Videorekorders. Nach und nach formte sich wieder einmal ein neuer Mensch, diesmal mit schlanken, fitten Körpern für eine neue Form der Ökonomie. Das schlanke, agile Unternehmen kann mit “dicken” Menschen nichts anfangen. Die korpulenten Menschen zugeschriebene körperliche Trägkeit wird in der post-industriellen Ökonomie unmittelbar mit mangelnder Leistungs- und Erfolgsfähigkeit konnotiert.
Fitness ist zu einem den Körper übersteigenden Prinzip geworden, das sich auch Psyche (Resilienz, positive Psychologie), Beziehungen, Wirtschaft und Gesellschaft erschlossen hat. Es gibt kein Nachlassen, keine Pause und kein Genug. Damit schließt sich Fitness mit ökonomischen Wachstumszwang und Max Webers protestantischen Geist des Kapitalismus kurz.
Referenzen:
Jürgen Martschukat: Das Zeitalter der Fitness. Wie der Körper zum Zeichen für Erfolg und Leistung wurde
Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten
Anmerkung zum Titel: „Fit mach mit“ ist der Slogan einer Kampagne aus den 1970er und 80er Jahren, mit der die Österreichische Bundesregierung einen gesünderen Lebensstil mit mehr Bewegung propagierte.
Jane Fona Workout Videos Promo (1988) - Youtube
From Dawn to Sunset 1937, Preilinger Archives/Archive.org, Public Domain
Arbeiter und Kolchosbauern, Statue Moskau 1939
© Wikimedia Von karel291, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=53890726
Fit mach mit
Rennräder, Laufschuhe, Yogamatten, Fitnesscenter-Abos, solche Dinge hat man als mittelschichtiger Erste-Welt-Mensch. Einmal im Jahr einen Marathon “finishen” ist für jeden ambitionierten Manager eine standesgemäße Selbstverpflichtung. Gibt es noch irgendein großes Unternehmen ohne Fitnessprogramm? Die Gesundheit und Leistungsfähigkeit unserer Mitarbeiter ist uns schließlich wichtig.
Der kolossale, gestählte, muskulöse Arbeiterkörper in der Bildsprache des “Sozialistischen Realismus” verkörperte das Ideal der heroischen Arbeit des “Neuen Menschen” für Fortschritt und Kommunismus. Die fleißigen, pflichtbewussten Arbeiter von General Motors, die mit kollektivem Einsatz die fordistische Massenproduktion zu immer größerer Effizienz treiben, sind kaum von ihrem sozialistischen Gegenüber zu unterscheiden. Dann, Mitte der 1970er Jahre beginnend, genau als die Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit die erste große Krise erlebte, wird der gewaltige starke, männliche Körper vom fitten und gesunden Körper von Mann und Frau abgelöst.
Der erste Star der neuen Fitnessbewegung war Jane Fonda. Sie verkaufte von ihren Aerobic-Videos mehr als eine Million Kopien und förderte damit sogar die Verbreitung des Videorekorders. Nach und nach formte sich wieder einmal ein neuer Mensch, diesmal mit schlanken, fitten Körpern für eine neue Form der Ökonomie. Das schlanke, agile Unternehmen kann mit “dicken” Menschen nichts anfangen. Die korpulenten Menschen zugeschriebene körperliche Trägkeit wird in der post-industriellen Ökonomie unmittelbar mit mangelnder Leistungs- und Erfolgsfähigkeit konnotiert.
Fitness ist zu einem den Körper übersteigenden Prinzip geworden, das sich auch Psyche (Resilienz, positive Psychologie), Beziehungen, Wirtschaft und Gesellschaft erschlossen hat. Es gibt kein Nachlassen, keine Pause und kein Genug. Damit schließt sich Fitness mit ökonomischen Wachstumszwang und Max Webers protestantischen Geist des Kapitalismus kurz.
Referenzen:
Jürgen Martschukat: Das Zeitalter der Fitness. Wie der Körper zum Zeichen für Erfolg und Leistung wurde
Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten
Anmerkung zum Titel: „Fit mach mit“ ist der Slogan einer Kampagne aus den 1970er und 80er Jahren, mit der die Österreichische Bundesregierung einen gesünderen Lebensstil mit mehr Bewegung propagierte.
Jane Fona Workout Videos Promo (1988) - Youtube
From Dawn to Sunset 1937, Preilinger Archives/Archive.org, Public Domain
Arbeiter und Kolchosbauern, Statue Moskau 1939
© Wikimedia Von karel291, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=53890726
Erwin und Elvira, der oder die Schlachter:in
Fassbinders herausragendes Melodram „In einem Jahr mit 13 Monden“ (1978) ist ein anhaltend aktueller Beitrag zur heutigen Identitätspolitikdebatte und ein eindringliches Ausrufezeichen für anti-stereotype Berufsausübung.
Die alte Angst vor dem Ende der neuen Arbeit
Jeder freut sich auf das Ende eines Arbeitstages, aber nicht über das Ende der Arbeit selbst. Die Furcht vor der Automatisierung und dem Ende der Arbeit ist ein alter Topos, wie etwa auch Werbefilme der 1950er Jahre bezeugen.
Superkräfte im Job
Was tun mit übermenschlichen Fähigkeiten im Job? Die bekannten Superhelden geben dazu wenig Auskunft. Ein Troll in einem der außergewöhnlichsten schwedischen Filme der letzten Jahre (Border, 2018) umso mehr.
Als die Wirtschaftsbilder laufen lernten
Ein aktuelles Buch stellt uns den bedeutenden Erkenntnistheoretiker Michael Polanyi als Wirtschaftsdidaktiker vor und erinnert an seinen noch heute sehenswerten Lehrfilm „Unemployment and Money“ (1940).
Adolf Hennecke — Held der Produktionsschlacht
Wo die Arbeit und das Heroische verschmelzen: Die Glorifizierung der Arbeit im Realsozialismus.
Die Gesten der Bäcker: ein professioneller Klassiker?
Im zeitgenössischen Kino hinterfragen wir selten die völlig aus der Zeit gefallene Bilder von Bäckern und Bäckerinnen bei ihrer Arbeit in der Backstube, etwa in Antoine Fontaines «Gemma Bovery» von 2014 (Gemma Bovery - Bande annonce - YouTube) oder Luke Jins Kurzfilm «La Boulangerie» von 2017 (La Boulangerie (Short Film) on Vimeo). Sollten wir aber!