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  • Arbeits­in­spek­tor Corona


    Jörg Markowitsch

    Das Corona Virus fördert immer öfter Missstände zu Tage: Wildtiermärkte, prekäre Arbeitsbedingungen, Pelzfarmen. Was kommt als nächstes?

    Das Virus spricht zu uns. Und zwar Klartext. Allein wir hören nicht zu. Es wird jeden­falls immer offen­sicht­li­cher, dass uns das Virus etwas sagen möchte.
    17 Millionen Nerze in Dänemark ermordet. Drei pro Einwohner. Angeblich wegen Corona. Als ob die armen Tiere sonst nicht durch Men­schen­hand gestorben wären.
    Schon der Ursprung der Pandemie in Wuhan schien uns sagen zu wollen: Verbietet Wild­tier­märk­te – endgültig.

    Die These, dass die Aus­brei­tung des Coro­na­vi­rus in Italien mit ‚Pronto Moda’ zu tun hatte, ist ebenfalls nicht ganz von der Hand zu weisen. Jeden­falls sorgte das Virus dafür, dass die Pro­duk­ti­on von ver­meint­lich ita­lie­ni­schen Produkten, die in Italien von Chinesen und unter chi­ne­si­schen Bedin­gun­gen her­ge­stellt werden, erneut mediale Auf­merk­sam­keit bekam (ver­glei­che auch den Blog „Made in Chinitaly“).

    Diese Spur zieht sich weiter. Corona-Cluster poppten häufig dort auf, wo die Arbeits­be­din­gung prekär sind und die Öffent­lich­keit kaum hinschaut. 1500 positive Covid-19 Fälle beim Bil­lig­fleisch-Pro­du­zen­ten Tönnies in Deutsch­land, Leih­ar­bei­ter bei der Post in Öster­reich, Ern­te­hel­fer in ganz Westeuropa.

    Das Corona Virus klagt vor allem lange Arbeits­schich­ten gepaart mit schlech­ter Unter­brin­gung von Arbei­te­rin­nen und Arbeiter am Betriebs­stand­ort an – sprich moderne Sklaverei. Dies zeigen zumindest Aus­wer­tun­gen der ‘London School of Hygiene and Tropical Medicine’ basierend auf Daten der ersten Welle (Thompson 2020, Leclerc 2020). Lässt man die Aus­brei­tungs­ge­fahr auf Schiffen außer Acht, so gehen die wesent­lichs­ten Cluster nach dieser Studie vor allem auf große Gemein­schafts­un­ter­künf­te und gekühlte Pro­duk­ti­ons­li­ni­en in der Lebens­mit­tel­in­dus­trie zurück. Gerade in der indus­tri­el­len Land­wirt­schaft ist der Spagat zwischen Wirt­schaft und Gesund­heit in der Corona-Krise besonders schwierig geworden. Unver­zicht­ba­re Arbeit (oder wie es so schön heißt: sys­tem­er­hal­ten­de Berufe) auf der einen Seite, erhöhtes Anste­ckungs­ri­si­ko auf der anderen Seite. Was auf der Makro­ebe­ne nach einem sozial- und gesund­heits­po­li­ti­schen, viel­leicht auch ethischen Problem klingt, ist für die betrof­fe­nen Arbeiter eine exis­ten­zi­el­le Zer­reiß­pro­be vor der sie jeden Morgen stehen.

    Setze ich mich dem gesund­heit­li­chen Risiko aus, oder verzichte ich auf Einkommen und gefährde so die Grund­ver­sor­gung meiner Familie? So schildert eine Brokkoli-Pflü­cker­in in Kali­for­ni­en in der Frontline-Doku­men­ta­ti­on „Covid’s hidden toll“ die tägliche Zwick­müh­le. In der Doku­men­ta­ti­on vom Juli dieses Jahres folgt die Jour­na­lis­tin Daffodil Altan illegalen Ern­te­hel­fern aus Mexiko und Mit­ar­bei­tern in der Fleischverarbeitungs¬industrie, die besonders von Corona getroffen wurden. „It doesn’t feel like we are essential workers, it feels like we are slaves!“ bringt ein anderer Ern­te­ar­bei­ter die Situation auf den Punkt.

    Was Arbeits­in­spek­tor Corona aufdeckt, führt garan­tiert zu großer Empörung: Immer noch Nerz­pro­duk­tio­nen in Europa?! Rumä­ni­sche Arbeits­skla­ven bei Tönnies!? Wozu braucht die Post Leih­ar­bei­ter?! Alleine diese, sowie das Mitgefühl mit den Sys­tem­er­hal­te­rin­nen ist meist von kurzer Dauer. Und der poli­ti­sche Wille deren Situation zu ver­bes­sern genauso.

    Ob die These vom ankla­gen­den Virus viel­leicht auch zur Liste der Ver­schwö­rungs­theo­rien zählt, mögen andere beurteilen.

    Tags: Ern­te­ar­bei­ter, Leih­ar­bei­ter, Kali­for­ni­en, Dänemark, Deutsch­land, Öster­reich Corona, Covid-19, Nerze, Fleisch­in­dus­trie, Post, Daffodil Altan, PBS, Frontline

    Refe­ren­zen:
    Der Standard (2020), Nach Corona-Fällen nimmt Wien Leih­ar­beits­fir­men ins Visier, 17. Mai 2020
    Leclerc, Q. et al. (2020) What settings have been linked to SARS-CoV‑2 trans­mis­si­on clusters? Wellcome Open Research
    Kempkens, Sebastian et al. (2020), In der Viren­schleu­der, 24. Juni 2020
    McKie, Robin (2020), Vete­ri­na­ry workers cull 17 million Danish mink to halt new Covid, The Guardian, 8. Nov. 2020
    Thompson, Helen (2020), COVID-19 case clusters offer lessons and warnings for reopening, Science News August 2020

     

    COVID's Hidden Toll, FRONTLINE, 2020 

    Jo-Anne McArthuron, Unsplash

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    Arbeits­in­spek­tor Corona

    Jörg Markowitsch

    Das Corona Virus fördert immer öfter Missstände zu Tage: Wildtiermärkte, prekäre Arbeitsbedingungen, Pelzfarmen. Was kommt als nächstes?

    Das Virus spricht zu uns. Und zwar Klartext. Allein wir hören nicht zu. Es wird jeden­falls immer offen­sicht­li­cher, dass uns das Virus etwas sagen möchte.
    17 Millionen Nerze in Dänemark ermordet. Drei pro Einwohner. Angeblich wegen Corona. Als ob die armen Tiere sonst nicht durch Men­schen­hand gestorben wären.
    Schon der Ursprung der Pandemie in Wuhan schien uns sagen zu wollen: Verbietet Wild­tier­märk­te – endgültig.

    Die These, dass die Aus­brei­tung des Coro­na­vi­rus in Italien mit ‚Pronto Moda’ zu tun hatte, ist ebenfalls nicht ganz von der Hand zu weisen. Jeden­falls sorgte das Virus dafür, dass die Pro­duk­ti­on von ver­meint­lich ita­lie­ni­schen Produkten, die in Italien von Chinesen und unter chi­ne­si­schen Bedin­gun­gen her­ge­stellt werden, erneut mediale Auf­merk­sam­keit bekam (ver­glei­che auch den Blog „Made in Chinitaly“).

    Diese Spur zieht sich weiter. Corona-Cluster poppten häufig dort auf, wo die Arbeits­be­din­gung prekär sind und die Öffent­lich­keit kaum hinschaut. 1500 positive Covid-19 Fälle beim Bil­lig­fleisch-Pro­du­zen­ten Tönnies in Deutsch­land, Leih­ar­bei­ter bei der Post in Öster­reich, Ern­te­hel­fer in ganz Westeuropa.

    Das Corona Virus klagt vor allem lange Arbeits­schich­ten gepaart mit schlech­ter Unter­brin­gung von Arbei­te­rin­nen und Arbeiter am Betriebs­stand­ort an – sprich moderne Sklaverei. Dies zeigen zumindest Aus­wer­tun­gen der ‘London School of Hygiene and Tropical Medicine’ basierend auf Daten der ersten Welle (Thompson 2020, Leclerc 2020). Lässt man die Aus­brei­tungs­ge­fahr auf Schiffen außer Acht, so gehen die wesent­lichs­ten Cluster nach dieser Studie vor allem auf große Gemein­schafts­un­ter­künf­te und gekühlte Pro­duk­ti­ons­li­ni­en in der Lebens­mit­tel­in­dus­trie zurück. Gerade in der indus­tri­el­len Land­wirt­schaft ist der Spagat zwischen Wirt­schaft und Gesund­heit in der Corona-Krise besonders schwierig geworden. Unver­zicht­ba­re Arbeit (oder wie es so schön heißt: sys­tem­er­hal­ten­de Berufe) auf der einen Seite, erhöhtes Anste­ckungs­ri­si­ko auf der anderen Seite. Was auf der Makro­ebe­ne nach einem sozial- und gesund­heits­po­li­ti­schen, viel­leicht auch ethischen Problem klingt, ist für die betrof­fe­nen Arbeiter eine exis­ten­zi­el­le Zer­reiß­pro­be vor der sie jeden Morgen stehen.

    Setze ich mich dem gesund­heit­li­chen Risiko aus, oder verzichte ich auf Einkommen und gefährde so die Grund­ver­sor­gung meiner Familie? So schildert eine Brokkoli-Pflü­cker­in in Kali­for­ni­en in der Frontline-Doku­men­ta­ti­on „Covid’s hidden toll“ die tägliche Zwick­müh­le. In der Doku­men­ta­ti­on vom Juli dieses Jahres folgt die Jour­na­lis­tin Daffodil Altan illegalen Ern­te­hel­fern aus Mexiko und Mit­ar­bei­tern in der Fleischverarbeitungs¬industrie, die besonders von Corona getroffen wurden. „It doesn’t feel like we are essential workers, it feels like we are slaves!“ bringt ein anderer Ern­te­ar­bei­ter die Situation auf den Punkt.

    Was Arbeits­in­spek­tor Corona aufdeckt, führt garan­tiert zu großer Empörung: Immer noch Nerz­pro­duk­tio­nen in Europa?! Rumä­ni­sche Arbeits­skla­ven bei Tönnies!? Wozu braucht die Post Leih­ar­bei­ter?! Alleine diese, sowie das Mitgefühl mit den Sys­tem­er­hal­te­rin­nen ist meist von kurzer Dauer. Und der poli­ti­sche Wille deren Situation zu ver­bes­sern genauso.

    Ob die These vom ankla­gen­den Virus viel­leicht auch zur Liste der Ver­schwö­rungs­theo­rien zählt, mögen andere beurteilen.

    Tags: Ern­te­ar­bei­ter, Leih­ar­bei­ter, Kali­for­ni­en, Dänemark, Deutsch­land, Öster­reich Corona, Covid-19, Nerze, Fleisch­in­dus­trie, Post, Daffodil Altan, PBS, Frontline

    Refe­ren­zen:
    Der Standard (2020), Nach Corona-Fällen nimmt Wien Leih­ar­beits­fir­men ins Visier, 17. Mai 2020
    Leclerc, Q. et al. (2020) What settings have been linked to SARS-CoV‑2 trans­mis­si­on clusters? Wellcome Open Research
    Kempkens, Sebastian et al. (2020), In der Viren­schleu­der, 24. Juni 2020
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    Thompson, Helen (2020), COVID-19 case clusters offer lessons and warnings for reopening, Science News August 2020

     

    COVID's Hidden Toll, FRONTLINE, 2020

    Jo-Anne McArthuron, Unsplash

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    Über diesen Blog

    Mit der Auswahl eines Films oder eines Bildes ver­an­schau­licht dieser Blog buch­stäb­lich das weite Feld der Arbeit, Beschäf­ti­gung und Bildung in einer offenen Sammlung aka­de­mi­scher, künst­le­ri­scher und auch anek­do­ti­scher Erkenntnisse.

    Über uns

    Konrad Wakol­bin­ger dreht Doku­men­tar­fil­me über Arbeit und Leben. Jörg Mar­ko­witsch forscht zu Bildung und Arbeit.  Beide leben in Wien. Infor­ma­tio­nen zu Gast­au­toren und ‑autorin­nen finden sich bei ihren jewei­li­gen Beiträgen

    Über uns hinaus

    Interesse an mehr? Wir haben hier Emp­feh­lun­gen zu ein­schlä­gi­gen Festivals, Film­samm­lun­gen und Literatur zusammengestellt.

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