Japans Seelöwinnen
Schlagzeilen aus Japan, die Arbeitswelt betreffend, überraschen uns in der Regel mit technologischen Innovationen wie etwa zuletzt mit der Erprobung von Pflegerobotern. Die besondere Beziehung der Japaner zu traditionellen Berufen ist hingegen eher auf eine museale Verwertung angewiesen. Ein in diesem Sinne filmisches Denkmal setzte die Portugiesische Filmemacherin Cláudia Varejão mit Ama-San („Meerfrauen“) den verschwindenden japanischen Apnoe-Taucherinnen. Das Koreanische Pendant hierzu sind die Haenyo („Seefrauen“), die es zurecht auf die UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes geschafft haben. Frauen, die seit Generationen gemeinsam nach Schalen- und Krustentieren sowie Muscheln tauchen, um ihre Familien zu unterstützen.
Dabei handelt es sich um eine aus westlichem Blickwinkel mehrfach außergewöhnliche Berufsgruppe. Sie besteht fast ausschließlich aus Frauen, die einer Tätigkeit nachgehen, die im Rest der Welt für Jahrtausende Männern vorbehalten war. Sie haben weibliches Unternehmertum, Frauenerwerbstätigkeit und Emanzipation in einer extrem patriarchalischen Gesellschaft vorangebracht, etwa auch indem sie sich ‚gewerkschaftlich‘ organisierten. Die Apnoetaucherinnen weisen heute ein Durchschnittsalter von über 60 Jahren auf, in einem gemeinhin als Schwerstarbeit zu klassifizierendem Job. Und erstaunlicherweise handelt es sich auch noch um eine Berufsgruppe, die in einem alles andere als frivolen Beruf, bis zum Aufkommen des westlichen Tourismus in den 1950er Jahre, ihrer Tätigkeit auch noch nackt (!) nachging. Freilich hatte dies vor der Erfindung von Neoprenanzügen vor allem auch praktische Gründe. Gerade letzterem Aspekt dieses Berufsstandes galt wohl auch das Interesse vieler westlicher Hobby-Ethnografen, das übrigens der Aktfotograf Yoshiyuki Iwasewe (1904 — 2001) ästhetisch vortrefflich bediente. Es darf vermutet werden, dass gerade aus diesem Grund auch frühe Filmaufnahmen dieser vermeintlich exotischen und scheinbar erotischen Berufstätigkeit existieren.
Der Film von Varejão begleitet den Alltag von drei — jedenfalls bis zum Hals in Neopren gepackte — Taucherinnen unterschiedlicher Generationen im Stil des ‚Direct Cinema‘. Varejão selbst bezeichnet ihren Film passenderweise als „Ethnofiktion“.
Referenzen:
Luke, Anthony (2011). Photographer Iwase Yoshiyuki’s Ama Divers
Suzuki, Krys (2019). Ama-San: The Culture and History of Japan’s Female Free Divers
Cláudia Varejão, Ama-San, Portugal 2016, Trailer
Historische Aufnahme, Ama-San, S/W, 3min
Ama-San in "La Donna Nel Mundo", 1963, 2min
Ama-San, Portugal 2016, Still
© Vinca-Film
Ama-San, Portugal 2016, Still
© Vinca-Film
Ama-San, Portugal 2016, Still
© Vinca-Film
Japans Seelöwinnen
Schlagzeilen aus Japan, die Arbeitswelt betreffend, überraschen uns in der Regel mit technologischen Innovationen wie etwa zuletzt mit der Erprobung von Pflegerobotern. Die besondere Beziehung der Japaner zu traditionellen Berufen ist hingegen eher auf eine museale Verwertung angewiesen. Ein in diesem Sinne filmisches Denkmal setzte die Portugiesische Filmemacherin Cláudia Varejão mit Ama-San („Meerfrauen“) den verschwindenden japanischen Apnoe-Taucherinnen. Das Koreanische Pendant hierzu sind die Haenyo („Seefrauen“), die es zurecht auf die UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes geschafft haben. Frauen, die seit Generationen gemeinsam nach Schalen- und Krustentieren sowie Muscheln tauchen, um ihre Familien zu unterstützen.
Dabei handelt es sich um eine aus westlichem Blickwinkel mehrfach außergewöhnliche Berufsgruppe. Sie besteht fast ausschließlich aus Frauen, die einer Tätigkeit nachgehen, die im Rest der Welt für Jahrtausende Männern vorbehalten war. Sie haben weibliches Unternehmertum, Frauenerwerbstätigkeit und Emanzipation in einer extrem patriarchalischen Gesellschaft vorangebracht, etwa auch indem sie sich ‚gewerkschaftlich‘ organisierten. Die Apnoetaucherinnen weisen heute ein Durchschnittsalter von über 60 Jahren auf, in einem gemeinhin als Schwerstarbeit zu klassifizierendem Job. Und erstaunlicherweise handelt es sich auch noch um eine Berufsgruppe, die in einem alles andere als frivolen Beruf, bis zum Aufkommen des westlichen Tourismus in den 1950er Jahre, ihrer Tätigkeit auch noch nackt (!) nachging. Freilich hatte dies vor der Erfindung von Neoprenanzügen vor allem auch praktische Gründe. Gerade letzterem Aspekt dieses Berufsstandes galt wohl auch das Interesse vieler westlicher Hobby-Ethnografen, das übrigens der Aktfotograf Yoshiyuki Iwasewe (1904 — 2001) ästhetisch vortrefflich bediente. Es darf vermutet werden, dass gerade aus diesem Grund auch frühe Filmaufnahmen dieser vermeintlich exotischen und scheinbar erotischen Berufstätigkeit existieren.
Der Film von Varejão begleitet den Alltag von drei — jedenfalls bis zum Hals in Neopren gepackte — Taucherinnen unterschiedlicher Generationen im Stil des ‚Direct Cinema‘. Varejão selbst bezeichnet ihren Film passenderweise als „Ethnofiktion“.
Referenzen:
Luke, Anthony (2011). Photographer Iwase Yoshiyuki’s Ama Divers
Suzuki, Krys (2019). Ama-San: The Culture and History of Japan’s Female Free Divers
Cláudia Varejão, Ama-San, Portugal 2016, Trailer
Historische Aufnahme, Ama-San, S/W, 3min
Ama-San in "La Donna Nel Mundo", 1963, 2min
Ama-San, Portugal 2016, Still
© Vinca-Film
Ama-San, Portugal 2016, Still
© Vinca-Film
Ama-San, Portugal 2016, Still
© Vinca-Film
Fischli und Weiss als DIY
Ein junger Youtuber hat vermutlich unwissentlich ein Remake des berühmten Kunstvideos „Der Lauf der Dinge“ (1987) von Fischli und Weiss gedreht und wirft damit interessante Fragen zum Verhältnis von Kunst, professionellem Handwerk und Do-it-yourself auf.
Fit mach mit
Über den Topos Gesundheit wird eine umfassende Optimierungs- und Steigerungslogik in die Menschen eingepflanzt. Fitness ist einer von mehreren Einflußfaktoren, um den innovativen, individuellen und performativen Unternehmer seiner selbst zu etablieren.
Erwin und Elvira, der oder die Schlachter:in
Fassbinders herausragendes Melodram „In einem Jahr mit 13 Monden“ (1978) ist ein anhaltend aktueller Beitrag zur heutigen Identitätspolitikdebatte und ein eindringliches Ausrufezeichen für anti-stereotype Berufsausübung.
Die alte Angst vor dem Ende der neuen Arbeit
Jeder freut sich auf das Ende eines Arbeitstages, aber nicht über das Ende der Arbeit selbst. Die Furcht vor der Automatisierung und dem Ende der Arbeit ist ein alter Topos, wie etwa auch Werbefilme der 1950er Jahre bezeugen.
Superkräfte im Job
Was tun mit übermenschlichen Fähigkeiten im Job? Die bekannten Superhelden geben dazu wenig Auskunft. Ein Troll in einem der außergewöhnlichsten schwedischen Filme der letzten Jahre (Border, 2018) umso mehr.
Als die Wirtschaftsbilder laufen lernten
Ein aktuelles Buch stellt uns den bedeutenden Erkenntnistheoretiker Michael Polanyi als Wirtschaftsdidaktiker vor und erinnert an seinen noch heute sehenswerten Lehrfilm „Unemployment and Money“ (1940).
Über diesen Blog
Mit der Auswahl eines Films oder eines Bildes veranschaulicht dieser Blog buchstäblich das weite Feld der Arbeit, Beschäftigung und Bildung in einer offenen Sammlung akademischer, künstlerischer und auch anekdotischer Erkenntnisse.
Über uns
Konrad Wakolbinger dreht Dokumentarfilme über Arbeit und Leben. Jörg Markowitsch forscht zu Bildung und Arbeit. Beide leben in Wien. Informationen zu Gastautoren und ‑autorinnen finden sich bei ihren jeweiligen Beiträgen
Über uns hinaus
Interesse an mehr? Wir haben hier Empfehlungen zu einschlägigen Festivals, Filmsammlungen und Literatur zusammengestellt.
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