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  • Zwangs­ar­beit bis über den Tod hinaus


    Konrad Wakolbinger

    Eine kapitalismuskritische Lesart des Zombiefilms anlässlich des Erscheinens von Zombi Child (2019) von Bertrand Bonello.

    Zombies als schwan­ken­de Gestalten mit faulenden, offenen Wunden und blut­ver­schmier­tem Gesicht, die wahllos Menschen jagen, ist uns seit George Romeros “Die Nacht der lebenden Toten” aus dem Jahre 1968, ist ein wohl­ver­trau­tes Filmsujet.

    In seinem Film “Zombi Child” (Frank­reich 2019), der in einem streng katho­li­schen Mäd­chen­in­ter­nat im heutigen Paris und im Haiti der 1960 Jahre ange­sie­delt ist, entfernt sich Bertrand Bonello von dieser Figu­ren­zeich­nung und schließt damit an den ersten Zombie-Spielfilm der Film­ge­schich­te an.

    “White Zombie”, von Viktor Halperin insze­niert und von seinem Bruder Edward 1932, während der kurzen Pre-Code Periode Hol­ly­woods, unab­hän­gig pro­du­ziert, ist ebenfalls in Haiti situiert und greift auch die dort gängige aus dem Voodoo erwach­se­ne Form des Untoten auf. Bevor George Romero den gen­re­ty­pi­schen Zombie prägte, traten Zombies in Gestalt sich behäbig bewe­gen­der, willens- und gefühl­lo­ser, aber äußerlich unver­sehr­ter Menschen auf.

    Sowohl bei Bonello wie auch bei Halperin werden die von einem Zom­bie­meis­ter ihrer Seele beraubten nachts zur Skla­ven­ar­beit in den Zucker­rohr­plan­ta­gen her­an­ge­zo­gen. Obwohl die Forschung nahelegt, dass das Phänomen Zombie sich nicht erst während der Ver­skla­vung in der Karibik ent­wi­ckelt hat, sondern mit dem Voodoo-Kult aus Afrika mit­ge­bracht wurde, lassen die ursprüng­li­chen Zom­bie­fil­me und auch “Zombi Child” eine Lesart zu, die ein hoff­nungs­lo­ses Schicksal zeigen — Zwangs­ar­beit bis über den Tod hinaus.

    Nichts war für die Eliten der euro­päi­schen Kolo­ni­al­mäch­te gewinn­träch­ti­ger als die Zucker­in­seln der Karibik. Die afri­ka­ni­schen Sklaven waren der “Treib­stoff” dieser proto-indus­tri­el­len Plan­ta­gen­wirt­schaft und nach wenigen Jahren waren sie “verbrannt”.

    Obwohl Romero eine andere For­men­spra­che wählte, haben auch seine Zom­bie­fil­me einen poli­ti­schen Subtext. Ganz evident ist seine Kritik an der ame­ri­ka­ni­schen Kon­sum­ge­sell­schaft in “Zombie” von 1978, wo die letzten Menschen ihren Über­le­bens­kampf in einer Shopping Mall aus­fech­ten. Romero sieht die Zombies als revo­lu­tio­nä­re Aus­for­mung dieser kranken Gesellschaft.

    Bonellos Gesell­schafts­kri­tik ist sublimer in eine kli­schee­haf­te Teenager- und Lie­bes­ge­schich­te ein­ge­bet­tet. Die Mäd­chen­cli­que des fran­zö­si­schen Elite-Internats in “Zombi Child” ist fas­zi­niert von der Voodoo-Tradition ihrer aus Haiti stam­men­den Kameradin. Als sich eine der Schü­le­rin­nen aus Lie­bes­kum­mer und ohne böse Absicht, aber in quasi kolo­nia­lis­ti­scher Manier, bei Voodoo bedient, kommt es zu einem Todefall. Die kul­tu­rel­le Aneignung des Voodoo durch eine weiße Euro­päe­rin steht als Metapher für die Aus­beu­tung und Unter­wer­fung der südlichen Hemisphäre.

    Zombi Child Trailer 

    White Zombie 1932 - Full Film 

    Zombie / Dawn of the Dead (1978) - Trailer 

    Film Still (all)

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    Zwangs­ar­beit bis über den Tod hinaus

    Konrad Wakolbinger

    Eine kapitalismuskritische Lesart des Zombiefilms anlässlich des Erscheinens von Zombi Child (2019) von Bertrand Bonello.

    Zombies als schwan­ken­de Gestalten mit faulenden, offenen Wunden und blut­ver­schmier­tem Gesicht, die wahllos Menschen jagen, ist uns seit George Romeros “Die Nacht der lebenden Toten” aus dem Jahre 1968, ist ein wohl­ver­trau­tes Filmsujet.

    In seinem Film “Zombi Child” (Frank­reich 2019), der in einem streng katho­li­schen Mäd­chen­in­ter­nat im heutigen Paris und im Haiti der 1960 Jahre ange­sie­delt ist, entfernt sich Bertrand Bonello von dieser Figu­ren­zeich­nung und schließt damit an den ersten Zombie-Spielfilm der Film­ge­schich­te an.

    “White Zombie”, von Viktor Halperin insze­niert und von seinem Bruder Edward 1932, während der kurzen Pre-Code Periode Hol­ly­woods, unab­hän­gig pro­du­ziert, ist ebenfalls in Haiti situiert und greift auch die dort gängige aus dem Voodoo erwach­se­ne Form des Untoten auf. Bevor George Romero den gen­re­ty­pi­schen Zombie prägte, traten Zombies in Gestalt sich behäbig bewe­gen­der, willens- und gefühl­lo­ser, aber äußerlich unver­sehr­ter Menschen auf.

    Sowohl bei Bonello wie auch bei Halperin werden die von einem Zom­bie­meis­ter ihrer Seele beraubten nachts zur Skla­ven­ar­beit in den Zucker­rohr­plan­ta­gen her­an­ge­zo­gen. Obwohl die Forschung nahelegt, dass das Phänomen Zombie sich nicht erst während der Ver­skla­vung in der Karibik ent­wi­ckelt hat, sondern mit dem Voodoo-Kult aus Afrika mit­ge­bracht wurde, lassen die ursprüng­li­chen Zom­bie­fil­me und auch “Zombi Child” eine Lesart zu, die ein hoff­nungs­lo­ses Schicksal zeigen — Zwangs­ar­beit bis über den Tod hinaus.

    Nichts war für die Eliten der euro­päi­schen Kolo­ni­al­mäch­te gewinn­träch­ti­ger als die Zucker­in­seln der Karibik. Die afri­ka­ni­schen Sklaven waren der “Treib­stoff” dieser proto-indus­tri­el­len Plan­ta­gen­wirt­schaft und nach wenigen Jahren waren sie “verbrannt”.

    Obwohl Romero eine andere For­men­spra­che wählte, haben auch seine Zom­bie­fil­me einen poli­ti­schen Subtext. Ganz evident ist seine Kritik an der ame­ri­ka­ni­schen Kon­sum­ge­sell­schaft in “Zombie” von 1978, wo die letzten Menschen ihren Über­le­bens­kampf in einer Shopping Mall aus­fech­ten. Romero sieht die Zombies als revo­lu­tio­nä­re Aus­for­mung dieser kranken Gesellschaft.

    Bonellos Gesell­schafts­kri­tik ist sublimer in eine kli­schee­haf­te Teenager- und Lie­bes­ge­schich­te ein­ge­bet­tet. Die Mäd­chen­cli­que des fran­zö­si­schen Elite-Internats in “Zombi Child” ist fas­zi­niert von der Voodoo-Tradition ihrer aus Haiti stam­men­den Kameradin. Als sich eine der Schü­le­rin­nen aus Lie­bes­kum­mer und ohne böse Absicht, aber in quasi kolo­nia­lis­ti­scher Manier, bei Voodoo bedient, kommt es zu einem Todefall. Die kul­tu­rel­le Aneignung des Voodoo durch eine weiße Euro­päe­rin steht als Metapher für die Aus­beu­tung und Unter­wer­fung der südlichen Hemisphäre.

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    Über diesen Blog

    Mit der Auswahl eines Films oder eines Bildes ver­an­schau­licht dieser Blog buch­stäb­lich das weite Feld der Arbeit, Beschäf­ti­gung und Bildung in einer offenen Sammlung aka­de­mi­scher, künst­le­ri­scher und auch anek­do­ti­scher Erkenntnisse.

    Über uns

    Konrad Wakol­bin­ger dreht Doku­men­tar­fil­me über Arbeit und Leben. Jörg Mar­ko­witsch forscht zu Bildung und Arbeit.  Beide leben in Wien. Infor­ma­tio­nen zu Gast­au­toren und ‑autorin­nen finden sich bei ihren jewei­li­gen Beiträgen

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    Interesse an mehr? Wir haben hier Emp­feh­lun­gen zu ein­schlä­gi­gen Festivals, Film­samm­lun­gen und Literatur zusammengestellt.

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