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  • Das Ich im Haar: Über das Können von Friseur*innen


    Hans G. Bauer und Fritz Böhle

    Der Schlüssel zur gelungenen Frisur liegt freilich im Können der Friseur*innen. Doch die haarige Kunst erschöpft sich nicht im Instrumentellen, sondern bezieht die ‚Kulturalität‘ des Haars mit ein. Eine zeitgemäße Kritik eines traditionellen Berufsbildes.

    Wir alle haben tag­täg­li­che, lebens­lan­ge, oft tief­grei­fen­de Erfah­run­gen mit unserem Haar, unseren Frisuren und Friseur*innen. Eigent­lich kennen wir uns aus – und erwarten das allemal von unseren Haar-Fach­kräf­ten und ihren uns so bekannten, gewohnten Pro­ze­du­ren. Aller­dings liegt der Schlüssel zum guten Friseur, wie ein eben erschie­ne­nes Buch von uns bezeugt, nur anschei­nend in dem leicht Sicht­ba­ren und Erkenn­ba­ren des Fri­seur­han­delns. Nicht das ‚Was‘, sondern vor allem das ‚Wie‘ ist entscheidend.

    Das rückt eher Ver­bor­ge­nes oder Ver­deck­tes in den Vor­der­grund: vor allem so etwas wie die Wahr­neh­mung mit allen Sinnen, das Empfinden und den Spürsinn sowohl für den Kunden wie die beson­de­ren Eigen­schaf­ten des Haars, wobei Letzterem ganz besondere Auf­merk­sam­keit zukommen muss. Darauf verweist nicht nur seine her­aus­ra­gen­de kul­tur­his­to­ri­sche Rolle, wie sie etwa auf ver­gnüg­li­che Weise in dem 10-minütigen Lehrfilm „Hair Dress Through the Ages“ aus dem Jahr 1950 dar­ge­stellt ist.

    Unsere Betrach­tung der ‚Kul­tu­ra­li­tät‘ des Haars reicht aller­dings über die Ober­flä­che der Fri­sur­be­trach­tung hinaus und bezieht die Mythen, Sym­bo­li­ken, sowie die reli­giö­sen, poli­ti­schen und sozialen Bedeut­sam­kei­ten des Haars mit ein. Zum Vorschein kommt hierbei auch: Das Haar lässt sich, wie immer man es auch ‚domes­ti­zie­ren‘ und ‚phar­ma­zie­ren‘ mag, nur bedingt nach Belieben formen. Allen Versuchen, Ordnungen und Ordnung zu schaffen, wider­setzt es sich durch seinen Eigensinn.

    Allzu leicht erscheint das Haar als ein Gegen­stand, der, gleich der äußeren Kleidung, zu einem gehört, ebenso wie diese aber auch ablösbar scheint. Doch das Haar, wie auch immer behandelt, abge­schnit­ten oder künstlich ver­län­gert, gefärbt oder verdreht, ist und bleibt ein unmit­tel­ba­rer Teil des mensch­li­chen Körpers und seiner per­so­na­len Verfassung.

    Das Haar ist, unbe­ar­bei­tet wie bear­bei­tet, kein ‚lebloses‘ Objekt, sondern ein leben­di­ges, wirk­li­ches ‚Gegenüber‘ – und daher als solches zu verstehen und zu behandeln. Fach­wis­sen und tech­ni­sche Fer­tig­kei­ten sind hierbei fraglos von großer Bedeutung. Doch ent­schei­dend für einen ‚guten‘ Friseur scheint etwas, wodurch sich die besondere ‚Kunst‘ des Handwerks aus­zeich­net: ein Gespür und Empfinden für den Gegen­stand, an und mit dem als einem wirk­li­chen ‚Gegenüber‘ gear­bei­tet wird.

    Davon scheint aller­dings selbst in den jüngeren Erör­te­run­gen zum Berufs­bild des Friseurs und seiner Aus­bil­dung nur wenig auf, wie etwa ein Schmökern durch aktuelle Berufs­in­for­ma­ti­ons­fil­me zeigt (ver­glei­che etwa „Friseur/in Aus­bil­dung“ des Bay­ri­schen Rundfunks (BR) oder „Friseur/in“ auf BERUFE.TV, das Film­por­tal rund um Berufe der Bun­des­agen­tur für Arbeit). Diese fokus­sie­ren eher Aspekte des chemisch-phar­ma­zeu­ti­schen Wissens und instru­men­tel­len Könnens. „Krea­ti­vi­tät“ ist dort ein zwar gern genutzter, jedoch weithin unspe­zi­fi­scher Begriff zur Beschrei­bung des Fri­seur­han­delns. Das Haar bleibt dabei ein Objekt. Uns scheint jedoch: Ein guter Friseur findet, belässt und pflegt das Ich im Haar.

    Hans G. Bauer ist Soziologe und für die GAB München, ein For­schungs- und Bera­tungs­in­sti­tut im Bereich der beruf­li­chen Bildung, tätig

    Fritz Böhle ist Soziologe und leitet die For­schungs­ein­heit für Sozio­öko­no­mie der Arbeits- und Berufs­welt an der Uni­ver­si­tät Augsburg.

    Refe­ren­zen:
    Bauer, Hans G. und Fritz Böhle (2020), Haarige Kunst. Über den Eigensinn des Haars und das Können von Friseuren, Springer.
    Bun­des­agen­tur für Arbeit (2021), Friseur/in — Berufe.TV

    Hair Dress Through The Ages, Bildungsfilm, 1950 

    Friseur/in, 2019, aus der Serie "Ausbildung" des Bayrischen Rundfunks 

    Figaro 7, Aus: "Harrige Kunst" von Hans G. Bauer und Fritz Böhle

    Figaro 6, Aus: "Harrige Kunst" von Hans G. Bauer und Fritz Böhle

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    Das Ich im Haar: Über das Können von Friseur*innen

    Hans G. Bauer und Fritz Böhle

    Der Schlüssel zur gelungenen Frisur liegt freilich im Können der Friseur*innen. Doch die haarige Kunst erschöpft sich nicht im Instrumentellen, sondern bezieht die ‚Kulturalität‘ des Haars mit ein. Eine zeitgemäße Kritik eines traditionellen Berufsbildes.

    Wir alle haben tag­täg­li­che, lebens­lan­ge, oft tief­grei­fen­de Erfah­run­gen mit unserem Haar, unseren Frisuren und Friseur*innen. Eigent­lich kennen wir uns aus – und erwarten das allemal von unseren Haar-Fach­kräf­ten und ihren uns so bekannten, gewohnten Pro­ze­du­ren. Aller­dings liegt der Schlüssel zum guten Friseur, wie ein eben erschie­ne­nes Buch von uns bezeugt, nur anschei­nend in dem leicht Sicht­ba­ren und Erkenn­ba­ren des Fri­seur­han­delns. Nicht das ‚Was‘, sondern vor allem das ‚Wie‘ ist entscheidend.

    Das rückt eher Ver­bor­ge­nes oder Ver­deck­tes in den Vor­der­grund: vor allem so etwas wie die Wahr­neh­mung mit allen Sinnen, das Empfinden und den Spürsinn sowohl für den Kunden wie die beson­de­ren Eigen­schaf­ten des Haars, wobei Letzterem ganz besondere Auf­merk­sam­keit zukommen muss. Darauf verweist nicht nur seine her­aus­ra­gen­de kul­tur­his­to­ri­sche Rolle, wie sie etwa auf ver­gnüg­li­che Weise in dem 10-minütigen Lehrfilm „Hair Dress Through the Ages“ aus dem Jahr 1950 dar­ge­stellt ist.

    Unsere Betrach­tung der ‚Kul­tu­ra­li­tät‘ des Haars reicht aller­dings über die Ober­flä­che der Fri­sur­be­trach­tung hinaus und bezieht die Mythen, Sym­bo­li­ken, sowie die reli­giö­sen, poli­ti­schen und sozialen Bedeut­sam­kei­ten des Haars mit ein. Zum Vorschein kommt hierbei auch: Das Haar lässt sich, wie immer man es auch ‚domes­ti­zie­ren‘ und ‚phar­ma­zie­ren‘ mag, nur bedingt nach Belieben formen. Allen Versuchen, Ordnungen und Ordnung zu schaffen, wider­setzt es sich durch seinen Eigensinn.

    Allzu leicht erscheint das Haar als ein Gegen­stand, der, gleich der äußeren Kleidung, zu einem gehört, ebenso wie diese aber auch ablösbar scheint. Doch das Haar, wie auch immer behandelt, abge­schnit­ten oder künstlich ver­län­gert, gefärbt oder verdreht, ist und bleibt ein unmit­tel­ba­rer Teil des mensch­li­chen Körpers und seiner per­so­na­len Verfassung.

    Das Haar ist, unbe­ar­bei­tet wie bear­bei­tet, kein ‚lebloses‘ Objekt, sondern ein leben­di­ges, wirk­li­ches ‚Gegenüber‘ – und daher als solches zu verstehen und zu behandeln. Fach­wis­sen und tech­ni­sche Fer­tig­kei­ten sind hierbei fraglos von großer Bedeutung. Doch ent­schei­dend für einen ‚guten‘ Friseur scheint etwas, wodurch sich die besondere ‚Kunst‘ des Handwerks aus­zeich­net: ein Gespür und Empfinden für den Gegen­stand, an und mit dem als einem wirk­li­chen ‚Gegenüber‘ gear­bei­tet wird.

    Davon scheint aller­dings selbst in den jüngeren Erör­te­run­gen zum Berufs­bild des Friseurs und seiner Aus­bil­dung nur wenig auf, wie etwa ein Schmökern durch aktuelle Berufs­in­for­ma­ti­ons­fil­me zeigt (ver­glei­che etwa „Friseur/in Aus­bil­dung“ des Bay­ri­schen Rundfunks (BR) oder „Friseur/in“ auf BERUFE.TV, das Film­por­tal rund um Berufe der Bun­des­agen­tur für Arbeit). Diese fokus­sie­ren eher Aspekte des chemisch-phar­ma­zeu­ti­schen Wissens und instru­men­tel­len Könnens. „Krea­ti­vi­tät“ ist dort ein zwar gern genutzter, jedoch weithin unspe­zi­fi­scher Begriff zur Beschrei­bung des Fri­seur­han­delns. Das Haar bleibt dabei ein Objekt. Uns scheint jedoch: Ein guter Friseur findet, belässt und pflegt das Ich im Haar.

    Hans G. Bauer ist Soziologe und für die GAB München, ein For­schungs- und Bera­tungs­in­sti­tut im Bereich der beruf­li­chen Bildung, tätig

    Fritz Böhle ist Soziologe und leitet die For­schungs­ein­heit für Sozio­öko­no­mie der Arbeits- und Berufs­welt an der Uni­ver­si­tät Augsburg.

    Refe­ren­zen:
    Bauer, Hans G. und Fritz Böhle (2020), Haarige Kunst. Über den Eigensinn des Haars und das Können von Friseuren, Springer.
    Bun­des­agen­tur für Arbeit (2021), Friseur/in — Berufe.TV

    Hair Dress Through The Ages, Bildungsfilm, 1950

    Friseur/in, 2019, aus der Serie "Ausbildung" des Bayrischen Rundfunks

    Figaro 7, Aus: "Harrige Kunst" von Hans G. Bauer und Fritz Böhle

    Figaro 6, Aus: "Harrige Kunst" von Hans G. Bauer und Fritz Böhle

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    Über diesen Blog

    Mit der Auswahl eines Films oder eines Bildes ver­an­schau­licht dieser Blog buch­stäb­lich das weite Feld der Arbeit, Beschäf­ti­gung und Bildung in einer offenen Sammlung aka­de­mi­scher, künst­le­ri­scher und auch anek­do­ti­scher Erkenntnisse.

    Über uns

    Konrad Wakol­bin­ger dreht Doku­men­tar­fil­me über Arbeit und Leben. Jörg Mar­ko­witsch forscht zu Bildung und Arbeit.  Beide leben in Wien. Infor­ma­tio­nen zu Gast­au­toren und ‑autorin­nen finden sich bei ihren jewei­li­gen Beiträgen

    Über uns hinaus

    Interesse an mehr? Wir haben hier Emp­feh­lun­gen zu ein­schlä­gi­gen Festivals, Film­samm­lun­gen und Literatur zusammengestellt.

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