Superkräfte im Job
Superhelden, egal ob aus dem Hause Marvel, Disney oder DC Comics, haben in der Regel alle auch einen Beruf. Clark Kent (Superman) ist Reporter, Peter Parker (Spiderman) ist Fotograf, Diana Prince (Wonder Woman) ist Krankenschwester bzw. Archäologin und Bruce Wayne (Batman) ist nebenbei oder im Hauptberuf, wie immer man es sehen möchte, Vorstandsvorsitzender. Die ungeschriebenen Gesetze zur Aufrechterhaltung der Superhelden-Paralleluniversen verbieten jedoch, dass sie ihre Kräfte auch in ihrem eigentlichen Job einsetzen. Sehr zu unser aller Nachteil, denn visionäre Ideen zur Berufs- und Arbeitswelt bleiben damit auf der Strecke.
Alleine die Vorstellung, da könnte jemand mit Superkräften ausgestattet im Job-Center vorsprechen oder ein Bewerbungsgespräch absolvieren, dürfte Arbeitsvermittlungen wie Personalabteilungen vor interessante Herausforderungen stellen. Wie sähe eine Arbeitswelt aus, in der einige wenige übermenschliche Fähigkeiten hätten? Wie ginge es ihnen in ihrem Job?
Bei all ihrem sonstigen Einfallsreichtum sind die US-Comics und US-Blockbuster in dieser Frage ungewöhnlich phantasiearm. Umso mehr fällt es auf, wenn ein solcher Umstand dann doch in Szene gesetzt wird. So etwa in dem schwedischen Fantasy-Liebesdrama „Border“ (2018) von Ali Abbasi.
Die Hauptfigur des Films, Tina (Eva Melander, großartiges Schauspiel in einer großartigen Maske), arbeitet beim Zoll und kontrolliert Fährpassagier:innen bei der Einreise nach Schweden. Sie hat einen unheimlich guten Riecher für Menschen, die Angst haben, Scham oder Schuld spüren. Diese erkennt sie sofort und unterbindet jeglichen Schmuggel. Meist konfisziert sie Alkohol. Aber einmal erschnüffelt sie den Besitzer einer Speicherkarte mit Kinderpornografie. Mit ihrer besonderen Gabe hilft sie im weiteren Verlauf der Ermittlungen der Polizei bei den Nachforschungen in dem Missbrauchsfall. Dass es sich bei Tina um eine sehr, sehr spezielle Außenseiterin handelt, ist aufgrund ihres ungewöhnlichen Äußeren von Anfang an offenkundig. Nachdem sich im Verlauf des Films herausstellt (Achtung Spoiler), dass sie ein Troll, und noch dazu ein männlicher, ist, vervollständigt sich das Bild der Figur: Queer humanoide Zollbeamt:in mit Superkräften.
Die Schweden schickten den Film ins Rennen um den Oscar für den „Besten fremdsprachigen Film“ und er wurde als bester Film für den Europäischen Filmpreis nominiert. Meines Erachtens ist Border der beste schwedische Film seit „So finster die Nacht” aus dem Jahr 2008, der mit Preisen überhäuft wurde. Beide Filme stammen aus der Feder des schwedischen Schriftstellers John Erik Ajvide Lindqvist und haben folglich so einiges gemein. Sie porträtieren Außenseiter:innen, verbinden Elemente von Fantasy bzw. Horror mit sozialem Realismus und erweitern auf diese Weise gehörig unseren Horizont.
Die Vorstellung des Übermenschlichen rückt in seinen Erzählungen an alltägliche Orte vor und lässt uns das Anderssein neu überdenken. Im Fall von „So finster die Nacht” ist dies etwa der Blick auf die Einsamkeit und den täglichen Überlebenskampf eines 12-jährigen Mädchens in einem Stockholmer Gemeindebau, die in Wahrheit ein Vampir mit Blutkonserven im Kühlschrank ist.
Beide Filme hinterfragen auf überraschende und kluge Weise Geschlechtsidentitäten. Der Film „Border“ wirft jedoch zusätzlich die Frage nach der Bedeutung und den Konsequenzen von Alterität in Berufs- und Arbeitswelt auf.
Border (Trailer), Ali Abbasi, 2008
Border, 2018, Filmstill
© metafilm
Border, 2018, Filmstill
© metafilm
Eva Melande in Border, 2018, Filmstill
© metafilm
Superkräfte im Job
Superhelden, egal ob aus dem Hause Marvel, Disney oder DC Comics, haben in der Regel alle auch einen Beruf. Clark Kent (Superman) ist Reporter, Peter Parker (Spiderman) ist Fotograf, Diana Prince (Wonder Woman) ist Krankenschwester bzw. Archäologin und Bruce Wayne (Batman) ist nebenbei oder im Hauptberuf, wie immer man es sehen möchte, Vorstandsvorsitzender. Die ungeschriebenen Gesetze zur Aufrechterhaltung der Superhelden-Paralleluniversen verbieten jedoch, dass sie ihre Kräfte auch in ihrem eigentlichen Job einsetzen. Sehr zu unser aller Nachteil, denn visionäre Ideen zur Berufs- und Arbeitswelt bleiben damit auf der Strecke.
Alleine die Vorstellung, da könnte jemand mit Superkräften ausgestattet im Job-Center vorsprechen oder ein Bewerbungsgespräch absolvieren, dürfte Arbeitsvermittlungen wie Personalabteilungen vor interessante Herausforderungen stellen. Wie sähe eine Arbeitswelt aus, in der einige wenige übermenschliche Fähigkeiten hätten? Wie ginge es ihnen in ihrem Job?
Bei all ihrem sonstigen Einfallsreichtum sind die US-Comics und US-Blockbuster in dieser Frage ungewöhnlich phantasiearm. Umso mehr fällt es auf, wenn ein solcher Umstand dann doch in Szene gesetzt wird. So etwa in dem schwedischen Fantasy-Liebesdrama „Border“ (2018) von Ali Abbasi.
Die Hauptfigur des Films, Tina (Eva Melander, großartiges Schauspiel in einer großartigen Maske), arbeitet beim Zoll und kontrolliert Fährpassagier:innen bei der Einreise nach Schweden. Sie hat einen unheimlich guten Riecher für Menschen, die Angst haben, Scham oder Schuld spüren. Diese erkennt sie sofort und unterbindet jeglichen Schmuggel. Meist konfisziert sie Alkohol. Aber einmal erschnüffelt sie den Besitzer einer Speicherkarte mit Kinderpornografie. Mit ihrer besonderen Gabe hilft sie im weiteren Verlauf der Ermittlungen der Polizei bei den Nachforschungen in dem Missbrauchsfall. Dass es sich bei Tina um eine sehr, sehr spezielle Außenseiterin handelt, ist aufgrund ihres ungewöhnlichen Äußeren von Anfang an offenkundig. Nachdem sich im Verlauf des Films herausstellt (Achtung Spoiler), dass sie ein Troll, und noch dazu ein männlicher, ist, vervollständigt sich das Bild der Figur: Queer humanoide Zollbeamt:in mit Superkräften.
Die Schweden schickten den Film ins Rennen um den Oscar für den „Besten fremdsprachigen Film“ und er wurde als bester Film für den Europäischen Filmpreis nominiert. Meines Erachtens ist Border der beste schwedische Film seit „So finster die Nacht” aus dem Jahr 2008, der mit Preisen überhäuft wurde. Beide Filme stammen aus der Feder des schwedischen Schriftstellers John Erik Ajvide Lindqvist und haben folglich so einiges gemein. Sie porträtieren Außenseiter:innen, verbinden Elemente von Fantasy bzw. Horror mit sozialem Realismus und erweitern auf diese Weise gehörig unseren Horizont.
Die Vorstellung des Übermenschlichen rückt in seinen Erzählungen an alltägliche Orte vor und lässt uns das Anderssein neu überdenken. Im Fall von „So finster die Nacht” ist dies etwa der Blick auf die Einsamkeit und den täglichen Überlebenskampf eines 12-jährigen Mädchens in einem Stockholmer Gemeindebau, die in Wahrheit ein Vampir mit Blutkonserven im Kühlschrank ist.
Beide Filme hinterfragen auf überraschende und kluge Weise Geschlechtsidentitäten. Der Film „Border“ wirft jedoch zusätzlich die Frage nach der Bedeutung und den Konsequenzen von Alterität in Berufs- und Arbeitswelt auf.
Border (Trailer), Ali Abbasi, 2008
Border, 2018, Filmstill
© metafilm
Border, 2018, Filmstill
© metafilm
Eva Melande in Border, 2018, Filmstill
© metafilm
Als die Wirtschaftsbilder laufen lernten
Ein aktuelles Buch stellt uns den bedeutenden Erkenntnistheoretiker Michael Polanyi als Wirtschaftsdidaktiker vor und erinnert an seinen noch heute sehenswerten Lehrfilm „Unemployment and Money“ (1940).
Adolf Hennecke — Held der Produktionsschlacht
Wo die Arbeit und das Heroische verschmelzen: Die Glorifizierung der Arbeit im Realsozialismus.
Die Gesten der Bäcker: ein professioneller Klassiker?
Im zeitgenössischen Kino hinterfragen wir selten die völlig aus der Zeit gefallene Bilder von Bäckern und Bäckerinnen bei ihrer Arbeit in der Backstube, etwa in Antoine Fontaines «Gemma Bovery» von 2014 (Gemma Bovery - Bande annonce - YouTube) oder Luke Jins Kurzfilm «La Boulangerie» von 2017 (La Boulangerie (Short Film) on Vimeo). Sollten wir aber!
Essential Workers vs. Bullshit-Jobs
Wie wird die Covid-19 Pandemie unsere Berufswelt verändern? Werden Systemerhalter*innen künftig mehr wertgeschätzt oder nehmen 'Bullshit-Jobs' weiter zu?
Das Ich im Haar: Über das Können von Friseur*innen
Der Schlüssel zur gelungenen Frisur liegt freilich im Können der Friseur*innen. Doch die haarige Kunst erschöpft sich nicht im Instrumentellen, sondern bezieht die ‚Kulturalität‘ des Haars mit ein. Eine zeitgemäße Kritik eines traditionellen Berufsbildes.
Efficiency kills
Der 2017 verstorbene US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler William J. Baumol fand heraus, warum das Effizienzprinzip den Dienstleistungssektor kaputt macht – und letztlich Covid-Todesopfer mitverantwortet.
Über diesen Blog
Mit der Auswahl eines Films oder eines Bildes veranschaulicht dieser Blog buchstäblich das weite Feld der Arbeit, Beschäftigung und Bildung in einer offenen Sammlung akademischer, künstlerischer und auch anekdotischer Erkenntnisse.
Über uns
Konrad Wakolbinger dreht Dokumentarfilme über Arbeit und Leben. Jörg Markowitsch forscht zu Bildung und Arbeit. Beide leben in Wien. Informationen zu Gastautoren und ‑autorinnen finden sich bei ihren jeweiligen Beiträgen
Über uns hinaus
Interesse an mehr? Wir haben hier Empfehlungen zu einschlägigen Festivals, Filmsammlungen und Literatur zusammengestellt.
Über diesen Blog
Mit der Auswahl eines Films oder eines Bildes veranschaulicht dieser Blog buchstäblich das weite Feld der Arbeit, Beschäftigung und Bildung in einer offenen Sammlung akademischer, künstlerischer und auch anekdotischer Erkenntnisse.
Über uns
Konrad Wakolbinger dreht Dokumentarfilme über Arbeit und Leben. Jörg Markowitsch forscht zu Bildung und Arbeit. Wir arbeiten beide in Wien. Informationen zu Gastautoren und ‑autorinnen finden sich bei ihren jeweiligen Beiträgen
Über uns hinaus
Interesse an mehr? Wir haben hier Empfehlungen zu einschlägigen Festivals, Filmsammlungen und Literatur zusammengestellt.