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  • Ver­glei­chen­de Arbeits­for­schung mit der Kamera: Darcy Lange


    Jörg Markowitsch

    Der Künstler Darcy Lange lieferte mit der Kamera bedeutendes wissenschaftliches Material zu Arbeit und Bildung, das es in der Sozial- und Bildungsforschung noch aufzuarbeiten gilt.

    Anfang der 1970er Jahre begann der neu­see­län­di­sche Künstler Darcy Lange (1946 – 2005) filmische Unter­su­chun­gen zum Thema »Menschen bei der Arbeit«. Er steht damit in der Tra­di­ti­ons­li­nie von Lewis Hine, Walker Evans und Dorothea Lange (nicht verwandt), die durch ihre Foto-Doku­men­ta­ti­on von Land­ar­bei­tern in den 1930er Jahren im Auftrag der US Farm-Security-Admi­nis­tra­ti­on berühmt wurden.

    Während er im Anspruch, die Kamera als Instru­ment der Sozi­al­re­form zu nutzen, es seinen Vor­bil­dern gleichtut, geht Lange metho­disch über sie hinaus. Seine fil­mi­schen Arbeiten sind ver­glei­chen­de sozial-anthro­po­lo­gi­sche Analysen par excellence.

    In „A Docu­men­ta­ti­on of Bradford Working Life“ wählte Lange vier Fabriken (von ihm als »Situa­tio­nen« bezeich­net) aus und machte dort jeweils Aufnahmen von bestimm­ten Arbeits­hand­lun­gen von drei bis fünf Arbei­te­rIn­nen (von ihm als »Studien« bezeich­net). Jede der insgesamt 15 Studien bestand aus einer Video­auf­nah­me von 10 Minuten, zwei 16-mm-Film­auf­nah­men (von der ersten und letzten halben Minute des Videos) und einem Schwarz-Weiß-Foto.

    Laut Mercedes Vicente, die durch ihre Dis­ser­ta­ti­on und diverse Aus­stel­lun­gen zu Darcy Lange wesent­lich dazu bei­getra­gen hat, dass sein Werk nicht in Ver­ges­sen­heit gerät, war Lange bestrebt, die Realität so inter­ven­ti­ons­los wie möglich wie­der­zu­ge­ben. Daraus erklärt sich auch, warum er alle drei Medien (Video, Film, Foto) gleich­zei­tig einsetzte, um mit sys­te­ma­ti­scher Präzision ein und denselben Bild­aus­schnitt auf­zu­neh­men (Vicente 2009, S. 40). Er lotet damit glei­cher­ma­ßen das Potenzial und die Grenzen der Medien für seine Unter­su­chun­gen aus. Ein ähnlich ver­glei­chen­der metho­di­scher Ansatz findest sich bei seinen „Work Studies in schools“, 1976–78 (hierzu folgt noch ein eigener Artikel).

    Ohne Schnitt, Montage, wech­seln­der Kame­ra­ein­stel­lun­gen oder Wiederholungs­aufnahmen sind Langes Videos ein Versuch der direkten Abbildung der Realität. Dem Betrach­ter wird kein bestimm­ter Stand­punkt unter­stellt und der etwaige Vorwurf, die Montage reiße die Dinge aus dem Zusam­men­hang, ist damit gegen­stands­los. Die Arbeiten stehen damit auch bewusst im Gegensatz zum  gängigen Doku­men­tar­film, was sich auch deutlich in der Form der Betrach­tung nie­der­schlägt. Langes‘ Videos anzusehen, gleicht eher dem Studieren wis­sen­schaft­li­chen Materials, als der kurz­wei­li­gen Unter­hal­tung einer Fernseh-Doku.

    Gerade dieser unver­mit­tel­te und ver­glei­chen­de Zugang zur ver­meint­li­chen Realität machen Langes‘ Arbeiten aber für die Arbeits- und Bil­dungs­for­schung inter­es­sant. In der Expe­ri­men­tal­film­sze­ne erfuhr Darcy Lange dank Mercedes Vicente posthum den Ruhm, den er verdient, und wurde zuletzt etwa auch in der Tate Modern in London (2017) gezeigt. Für die Forschung und in weiterer Folge der Sozial- und Bil­dungs­po­li­tik, für die er zeit­le­bens einen Beitrag leisten wollte, gilt es ihn noch zu entdecken.

    Den Hinweis auf Darcy Lange verdanke ich meinem Freund, dem Künstler, Gregor Schmoll.

    Refe­ren­zen:
    Vicente, Mercedes (2009). Darcy Lange, Camera Austria, Nr. 108.
    Vicente, Mercedes (2017). Images of people at work: the video­ma­king of Darcy Lange (Doctoral dis­ser­ta­ti­on, Royal College of Art).
    Nach­rich­ten­bei­trag im Neu­see­län­di­schen Fernsehen anläss­lich der Austel­lung zu Darcy Lange in der Tate Modern London, 2min

     

    Fragmente von Darcy Langes Videoarbeiten 

    Darcy Lange, A Documentation of Bradford Working Life, UK, 1974

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    Ver­glei­chen­de Arbeits­for­schung mit der Kamera: Darcy Lange

    Jörg Markowitsch

    Der Künstler Darcy Lange lieferte mit der Kamera bedeutendes wissenschaftliches Material zu Arbeit und Bildung, das es in der Sozial- und Bildungsforschung noch aufzuarbeiten gilt.

    Anfang der 1970er Jahre begann der neu­see­län­di­sche Künstler Darcy Lange (1946 – 2005) filmische Unter­su­chun­gen zum Thema »Menschen bei der Arbeit«. Er steht damit in der Tra­di­ti­ons­li­nie von Lewis Hine, Walker Evans und Dorothea Lange (nicht verwandt), die durch ihre Foto-Doku­men­ta­ti­on von Land­ar­bei­tern in den 1930er Jahren im Auftrag der US Farm-Security-Admi­nis­tra­ti­on berühmt wurden.

    Während er im Anspruch, die Kamera als Instru­ment der Sozi­al­re­form zu nutzen, es seinen Vor­bil­dern gleichtut, geht Lange metho­disch über sie hinaus. Seine fil­mi­schen Arbeiten sind ver­glei­chen­de sozial-anthro­po­lo­gi­sche Analysen par excellence.

    In „A Docu­men­ta­ti­on of Bradford Working Life“ wählte Lange vier Fabriken (von ihm als »Situa­tio­nen« bezeich­net) aus und machte dort jeweils Aufnahmen von bestimm­ten Arbeits­hand­lun­gen von drei bis fünf Arbei­te­rIn­nen (von ihm als »Studien« bezeich­net). Jede der insgesamt 15 Studien bestand aus einer Video­auf­nah­me von 10 Minuten, zwei 16-mm-Film­auf­nah­men (von der ersten und letzten halben Minute des Videos) und einem Schwarz-Weiß-Foto.

    Laut Mercedes Vicente, die durch ihre Dis­ser­ta­ti­on und diverse Aus­stel­lun­gen zu Darcy Lange wesent­lich dazu bei­getra­gen hat, dass sein Werk nicht in Ver­ges­sen­heit gerät, war Lange bestrebt, die Realität so inter­ven­ti­ons­los wie möglich wie­der­zu­ge­ben. Daraus erklärt sich auch, warum er alle drei Medien (Video, Film, Foto) gleich­zei­tig einsetzte, um mit sys­te­ma­ti­scher Präzision ein und denselben Bild­aus­schnitt auf­zu­neh­men (Vicente 2009, S. 40). Er lotet damit glei­cher­ma­ßen das Potenzial und die Grenzen der Medien für seine Unter­su­chun­gen aus. Ein ähnlich ver­glei­chen­der metho­di­scher Ansatz findest sich bei seinen „Work Studies in schools“, 1976–78 (hierzu folgt noch ein eigener Artikel).

    Ohne Schnitt, Montage, wech­seln­der Kame­ra­ein­stel­lun­gen oder Wiederholungs­aufnahmen sind Langes Videos ein Versuch der direkten Abbildung der Realität. Dem Betrach­ter wird kein bestimm­ter Stand­punkt unter­stellt und der etwaige Vorwurf, die Montage reiße die Dinge aus dem Zusam­men­hang, ist damit gegen­stands­los. Die Arbeiten stehen damit auch bewusst im Gegensatz zum  gängigen Doku­men­tar­film, was sich auch deutlich in der Form der Betrach­tung nie­der­schlägt. Langes‘ Videos anzusehen, gleicht eher dem Studieren wis­sen­schaft­li­chen Materials, als der kurz­wei­li­gen Unter­hal­tung einer Fernseh-Doku.

    Gerade dieser unver­mit­tel­te und ver­glei­chen­de Zugang zur ver­meint­li­chen Realität machen Langes‘ Arbeiten aber für die Arbeits- und Bil­dungs­for­schung inter­es­sant. In der Expe­ri­men­tal­film­sze­ne erfuhr Darcy Lange dank Mercedes Vicente posthum den Ruhm, den er verdient, und wurde zuletzt etwa auch in der Tate Modern in London (2017) gezeigt. Für die Forschung und in weiterer Folge der Sozial- und Bil­dungs­po­li­tik, für die er zeit­le­bens einen Beitrag leisten wollte, gilt es ihn noch zu entdecken.

    Den Hinweis auf Darcy Lange verdanke ich meinem Freund, dem Künstler, Gregor Schmoll.

    Refe­ren­zen:
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    Vicente, Mercedes (2017). Images of people at work: the video­ma­king of Darcy Lange (Doctoral dis­ser­ta­ti­on, Royal College of Art).
    Nach­rich­ten­bei­trag im Neu­see­län­di­schen Fernsehen anläss­lich der Austel­lung zu Darcy Lange in der Tate Modern London, 2min

     

    Fragmente von Darcy Langes Videoarbeiten

    Darcy Lange, A Documentation of Bradford Working Life, UK, 1974

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