
Observations on Work, Employment & Education
Trainspotters’ job interviews
Personalrekrutierungsszenen bzw. die Darstellung von Bewerbungsgesprächen im Spielfilm dienen häufig der Fortführung der Handlung („The Shining“), können in Kurzfilmen als Hauptthema auftreten („The Interviewer“) oder aber bedeutungstragende Einzelszenen sein („Step Brothers“). Da bei Rekrutierungsvorgängen unweigerlich eine ungleiche Machtverteilung vorliegt, überwiegen Filme, die Personalisten wenig vorteilhaft erscheinen lassen oder das Rekrutierungsgeschehen problematisieren. Sympathieverteilung auf die Seite der Macht erscheint fragwürdig bzw. unmoralisch. „Trainspotting“ (1996) von Danny Boyle nach dem Roman von Irvine Welsh hält diesbezüglich wohl eine der faszinierendsten Szenen parat. Sie ist komplex und mag zur Fehldeutung verleiten ─ ein Grund näher hinzusehen.
Das Jobinterview mit Spud spiegelt in zutreffender und gleichzeitig verwirrender Weise seine Lebensumstände. Spud lebt in Leith, einem in den 80er-Jahren ökonomisch und sozial marginalisierten Vorort von Edinburgh. Er gehört einer Gruppe von Jugendlichen an, die als Teil der Punkkultur bürgerliche Existenz und die entsprechenden Werte ablehnt. Weitere Umstände von Bedeutung sind das Drogenmilieu, die Lebensumstände der Unterschicht sowie sprachliche Eigenarten. Spud‘s sprachliches Vermögen ist auf die ausschließliche Verwendung eines regionalen Dialektes reduziert, hinzu kommt seine individuelle Ausdrucksweise und eine unvermeidliche milieubedingte sprachliche Besonderheit. Dies gilt besonders für die Romanvorlage ─ um verständlich zu bleiben wurden im Film die individuelle Ausdrucksweise wie auch andere auftretende sprachliche Varietäten dem Standardenglisch etwas angeglichen.
Spud, vom Arbeitsamt gedrängt, stellt sich dem Bewerbungsgespräch. Da er weiterhin vom Arbeitslosengeld leben will, darf er keinesfalls erfolgreich sein. Und so erleben wir Spud auf Speed wie er hastig auf einstudierte Rekrutierungsfragen antwortet, die in ihrer Absehbarkeit den Satirecharakter der Szene noch anreichern.
Spud ist allein an einem Ende eines großen Raums und wirkt durch die besondere Raum- bzw. Bildkomposition wie gefangen. Am anderen Ende drei Rekrutierungsverantwortliche. Die räumliche Distanz deutet auch die soziale Distanz an. Die Szene erinnert an ein Tribunal, die Schuldfrage scheint geklärt: Der Bewerber ist offensichtlich ein Angehöriger der Unterschicht. Spud macht zwar den Eindruck einer stark verwirrten Person, wirkt aber in gewisser Weise souverän und auch liebenswürdig, auch kann man über ihn in (hoffentlich) solidarischer Weise lachen. Auffälligstes Merkmal ist die Sprache, die seine soziale Herkunft eindeutig zeigt, zumal er nur einen eingeschränkten Code im Repertoire hat. In seinen Antworten finden sich deutliche Anklänge an die sogenannte Nonsense-Literatur, eine Gattung, die sich durch ihr Potenzial zur Überschreitung der Normen auszeichnet, sowie surrealistische Komik. Ein Beispiel dieser Art und zugleich ein humoristischer Höhepunkt soll hier zitiert werden:
Interviewerin: „Mr. Murphy [Spud], …, do you see yourself as having any weaknesses?
Spud: “No. Well, yes. I have to admit it: I’m a perfectionist. For me, it’s the best or nothing at all. If things go badly, I can’t be bothered, but I have a good feeling about this interview. Seems to me like it’s gone pretty well. We’ve touched on a lot of subjects, a lot of things to think about, for all of us.”
Darauf folgt die Verabschiedung. Die Gegenseite — die Seite der Macht ist ratlos. Der hauptverantwortliche Personalist schließt mit den üblichen Worten: „Danke. Sie werden von uns hören!“, man merkt die Verachtung am zynischen Lächeln. Spud seinerseits verabschiedet sich geradezu enthusiastisch, er ist mit seiner Performance offensichtlich zufrieden. Wer ihn nicht kennt, könnte das für eine weitere Provokation halten — mehrdeutig bleibt es jedenfalls und es ist gerade diese Mehrdeutigkeit, die beeindruckt.
Spielfilme mit Rekrutierungsszenen bieten oft interessante Ansätze die zuständigen Personalverantwortlichen zu verunsichern.
Dr. Reinhold Gaubitsch ist Politikwissenschafter und war bis zu seiner Pensionierung Projektleiter in der Abteilung Arbeitsmarkt- und Berufsinformation (ABI) des Arbeitsmarktservice Österreich und unter anderem zuständig für Berufsinformationsfilme.
Trainspotting (1996), Danny Boyle, job interview scene with Spud (Ewen Bremner)
Shining (1980), Stanley Kubrick, The Interview with Jack Torrance (Jack Nicholson)
The Interviewer (2015), Bus Stop Films
Step Brothers (2008), Adam McKay, Interview scene with Brennan (Will Ferrell) and Dale (John C. Reilly),

Filmstill, The Interviewer (2015)
© Bus Stop Films

Filmstill, Trainspotting (1996)
Trainspotters’ job interviews
Personalrekrutierungsszenen bzw. die Darstellung von Bewerbungsgesprächen im Spielfilm dienen häufig der Fortführung der Handlung („The Shining“), können in Kurzfilmen als Hauptthema auftreten („The Interviewer“) oder aber bedeutungstragende Einzelszenen sein („Step Brothers“). Da bei Rekrutierungsvorgängen unweigerlich eine ungleiche Machtverteilung vorliegt, überwiegen Filme, die Personalisten wenig vorteilhaft erscheinen lassen oder das Rekrutierungsgeschehen problematisieren. Sympathieverteilung auf die Seite der Macht erscheint fragwürdig bzw. unmoralisch. „Trainspotting“ (1996) von Danny Boyle nach dem Roman von Irvine Welsh hält diesbezüglich wohl eine der faszinierendsten Szenen parat. Sie ist komplex und mag zur Fehldeutung verleiten ─ ein Grund näher hinzusehen.
Das Jobinterview mit Spud spiegelt in zutreffender und gleichzeitig verwirrender Weise seine Lebensumstände. Spud lebt in Leith, einem in den 80er-Jahren ökonomisch und sozial marginalisierten Vorort von Edinburgh. Er gehört einer Gruppe von Jugendlichen an, die als Teil der Punkkultur bürgerliche Existenz und die entsprechenden Werte ablehnt. Weitere Umstände von Bedeutung sind das Drogenmilieu, die Lebensumstände der Unterschicht sowie sprachliche Eigenarten. Spud‘s sprachliches Vermögen ist auf die ausschließliche Verwendung eines regionalen Dialektes reduziert, hinzu kommt seine individuelle Ausdrucksweise und eine unvermeidliche milieubedingte sprachliche Besonderheit. Dies gilt besonders für die Romanvorlage ─ um verständlich zu bleiben wurden im Film die individuelle Ausdrucksweise wie auch andere auftretende sprachliche Varietäten dem Standardenglisch etwas angeglichen.
Spud, vom Arbeitsamt gedrängt, stellt sich dem Bewerbungsgespräch. Da er weiterhin vom Arbeitslosengeld leben will, darf er keinesfalls erfolgreich sein. Und so erleben wir Spud auf Speed wie er hastig auf einstudierte Rekrutierungsfragen antwortet, die in ihrer Absehbarkeit den Satirecharakter der Szene noch anreichern.
Spud ist allein an einem Ende eines großen Raums und wirkt durch die besondere Raum- bzw. Bildkomposition wie gefangen. Am anderen Ende drei Rekrutierungsverantwortliche. Die räumliche Distanz deutet auch die soziale Distanz an. Die Szene erinnert an ein Tribunal, die Schuldfrage scheint geklärt: Der Bewerber ist offensichtlich ein Angehöriger der Unterschicht. Spud macht zwar den Eindruck einer stark verwirrten Person, wirkt aber in gewisser Weise souverän und auch liebenswürdig, auch kann man über ihn in (hoffentlich) solidarischer Weise lachen. Auffälligstes Merkmal ist die Sprache, die seine soziale Herkunft eindeutig zeigt, zumal er nur einen eingeschränkten Code im Repertoire hat. In seinen Antworten finden sich deutliche Anklänge an die sogenannte Nonsense-Literatur, eine Gattung, die sich durch ihr Potenzial zur Überschreitung der Normen auszeichnet, sowie surrealistische Komik. Ein Beispiel dieser Art und zugleich ein humoristischer Höhepunkt soll hier zitiert werden:
Interviewerin: „Mr. Murphy [Spud], …, do you see yourself as having any weaknesses?
Spud: “No. Well, yes. I have to admit it: I’m a perfectionist. For me, it’s the best or nothing at all. If things go badly, I can’t be bothered, but I have a good feeling about this interview. Seems to me like it’s gone pretty well. We’ve touched on a lot of subjects, a lot of things to think about, for all of us.”
Darauf folgt die Verabschiedung. Die Gegenseite — die Seite der Macht ist ratlos. Der hauptverantwortliche Personalist schließt mit den üblichen Worten: „Danke. Sie werden von uns hören!“, man merkt die Verachtung am zynischen Lächeln. Spud seinerseits verabschiedet sich geradezu enthusiastisch, er ist mit seiner Performance offensichtlich zufrieden. Wer ihn nicht kennt, könnte das für eine weitere Provokation halten — mehrdeutig bleibt es jedenfalls und es ist gerade diese Mehrdeutigkeit, die beeindruckt.
Spielfilme mit Rekrutierungsszenen bieten oft interessante Ansätze die zuständigen Personalverantwortlichen zu verunsichern.
Dr. Reinhold Gaubitsch ist Politikwissenschafter und war bis zu seiner Pensionierung Projektleiter in der Abteilung Arbeitsmarkt- und Berufsinformation (ABI) des Arbeitsmarktservice Österreich und unter anderem zuständig für Berufsinformationsfilme.
Trainspotting (1996), Danny Boyle, job interview scene with Spud (Ewen Bremner)
Shining (1980), Stanley Kubrick, The Interview with Jack Torrance (Jack Nicholson)
The Interviewer (2015), Bus Stop Films
Step Brothers (2008), Adam McKay, Interview scene with Brennan (Will Ferrell) and Dale (John C. Reilly),

Filmstill, The Interviewer (2015)
© Bus Stop Films

Filmstill, Trainspotting (1996)

Fischli und Weiss als DIY
Ein junger Youtuber hat vermutlich unwissentlich ein Remake des berühmten Kunstvideos „Der Lauf der Dinge“ (1987) von Fischli und Weiss gedreht und wirft damit interessante Fragen zum Verhältnis von Kunst, professionellem Handwerk und Do-it-yourself auf.
Fit mach mit
Über den Topos Gesundheit wird eine umfassende Optimierungs- und Steigerungslogik in die Menschen eingepflanzt. Fitness ist einer von mehreren Einflußfaktoren, um den innovativen, individuellen und performativen Unternehmer seiner selbst zu etablieren.
Erwin und Elvira, der oder die Schlachter:in
Fassbinders herausragendes Melodram „In einem Jahr mit 13 Monden“ (1978) ist ein anhaltend aktueller Beitrag zur heutigen Identitätspolitikdebatte und ein eindringliches Ausrufezeichen für anti-stereotype Berufsausübung.
Die alte Angst vor dem Ende der neuen Arbeit
Jeder freut sich auf das Ende eines Arbeitstages, aber nicht über das Ende der Arbeit selbst. Die Furcht vor der Automatisierung und dem Ende der Arbeit ist ein alter Topos, wie etwa auch Werbefilme der 1950er Jahre bezeugen.
Superkräfte im Job
Was tun mit übermenschlichen Fähigkeiten im Job? Die bekannten Superhelden geben dazu wenig Auskunft. Ein Troll in einem der außergewöhnlichsten schwedischen Filme der letzten Jahre (Border, 2018) umso mehr.
Als die Wirtschaftsbilder laufen lernten
Ein aktuelles Buch stellt uns den bedeutenden Erkenntnistheoretiker Michael Polanyi als Wirtschaftsdidaktiker vor und erinnert an seinen noch heute sehenswerten Lehrfilm „Unemployment and Money“ (1940).

Über diesen Blog
Mit der Auswahl eines Films oder eines Bildes veranschaulicht dieser Blog buchstäblich das weite Feld der Arbeit, Beschäftigung und Bildung in einer offenen Sammlung akademischer, künstlerischer und auch anekdotischer Erkenntnisse.
Über uns
Konrad Wakolbinger dreht Dokumentarfilme über Arbeit und Leben. Jörg Markowitsch forscht zu Bildung und Arbeit. Beide leben in Wien. Informationen zu Gastautoren und ‑autorinnen finden sich bei ihren jeweiligen Beiträgen
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Interesse an mehr? Wir haben hier Empfehlungen zu einschlägigen Festivals, Filmsammlungen und Literatur zusammengestellt.
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